16. September 2010

Kritik: Kick-Ass


"Kick-Ass" ist ein Film, der es dem Zuschauer auf den ersten Blick durchaus leicht macht, ihn zu mögen: Nachdem die ersten paar Minuten inklusive ihrer relativ überraschungsarmen Charakterisierung der Protagonisten absolviert sind, zieht das Tempo merklich an - bei der Metamorphose vom Teenager zum Superhelden ändert schlagartig auch der Film sein Genre und wird vom Highschool-Klamauk zum cartoonbasierten Actioner.

Ich will garnicht verschweigen, dass sich Vaughn auch in diesem Genre zuhause fühlt, denn das er ein Händchen für seine Schauspieler und die Actionsequenzen hat, sieht man "Kick-Ass" zu jeder Sekunde an. Angesichts der Versatzstücke von "Leon", "Super Bad" und "Watchmen" ist das Gesehene zwar nie so kreativ, wie es vielerorts angepriesen wird - aber nunja, was ist das schon?! Also alles im grünen Bereich? Mitnichten!
Denn obwohl es an den obigen Schauelementen nichts auszusetzen gibt, hinterlässt "Kick-Ass" einen faden Beigeschmack, der sich mit jeder weiteren Minute, die seit Ablauf der Credits vergangen ist, immer mehr zu einer Art Abscheu entwickelt hat.
Es ist weiß Gott nicht so, dass mein moralischer Kompass bei jeder kleinen Geschmacklosigkeit Amok läuft, und so konnte ich mich sogar nach ein paar Minuten damit abfinden, dass die Superheldenstaffage zu großen Teilen eben erst der Grundschule entwachsen ist. Nicht, dass es mich nicht gestört hätte - ich bin seit dem ersten Trailer der Meinung gewesen, dass insbesondere HitGirl in ihrem sexualisierten Lederbody und ihren Schnetzeleinlagen einzig und allein ein kalkulierter Tabubruch ist, um die nötige Internetpropagandamaschine am laufen zu halten.

Von Jolie bis Thurman, jeden von ihnen hätte weniger Glaubwürdigkeitsprobleme gehabt, was vorallem daran liegt, dass "Kick-Ass" keine nachvollziehbare Erklärung für die Existenz des HitGirls findet - sogar Portmans Rolle in "Leon" wurde zumindest so ausgestaltet, dass ein emotionales Nachvollziehen des außergewöhnlichen Werdegangs einer Minderjährigen für den Zuschauer halbwegs plausibel erschien. Dieses "Friss oder stirb" hinsichtlich der Charakterentwicklung mag ein generelles Manko der Comic-Vorlage sein, stört aber trotzdem enorm. Sowohl erzählerisch, als auch unter moralischen Gesichtspunkten.

Was jedoch weitaus bedenklicher ist als HitGirl als solches, ist die Legitimation, welche Vaughn sonst noch aus der gleichnamigen Graphic Novel konstruiert: Superhelden aus Comics sind nicht anders als viele Filmhelden aufgrund ihres Standes über dem Gesetz und ihres Hanges zur Selbstjustiz ja per se eine unmoralische Instanz; die Dimension die "Kick-Ass" proklamiert, ist aber auch in diesem Genre neu: Unter dem Mantel der Satire und der Überspitzung zelebriert Vaughn ein geschmackloses und selbsgerechtes Massenmordspektakel, in welchem auch die letzten moralischen Barrieren ausgehebelt werden - wo sich Helden wie "Batman" und "Superman" in ihren Einzelgängerfeldzügen auf die Bösewichte beschränken, und selbst unter diesen zumeist nur Schläge verteilten, da wird in "Kick-Ass" gemetzelt und gemetzgert ohne lange zu fragen und ohne Rücksicht auf Verluste (stellvertretend sei die Schlachtung der paar zwielichten Gestalten beim ersten Auftritt des HitGirls genannt).

Das Abstoßendste daran ist, dass sich "Kick-Ass" mit jeder weiteren Minute mehr vom versprochenen Satire-Anspruch wegbewegt und schlussendlich in plumper Heldenverehrung gipfelt. Spätestens ab der Mitte ist klar, wer hier der Gute und wer der Böse ist, und wer es verdient, zu Strafe filetiert zu werden. Diese zelebrierte "Recht so"-Attitüde ist eine der zynischsten Aussagen, die das Mainstream-Kino abseits der Torture-Porn-Sparte in den letzten Jahren hervorgebracht hat.
Wer solchen Subtext bietet, der kann sich schlussendlich auch seinen ironisierten Blick auf die eigene Zunft (der angesichts der unrealistischen Kampfkünste von Big Daddy und HitGirl sowieso ad absurdum geführt wird und somit reichlich verlogen wirkt) und seinen Zivilcourage-Appell sparen - jedes Charles-Bronson-Revenge-Movie ist ehrlicher in seiner Aussage und somit moralisch integrer, als es "Kick-Ass" je sein könnte.

4 / 10

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