7. Oktober 2010

Kritik: Baader-Meinhof-Komplex

"Vereichingerung der Geschichte", "Der Langfilm-Guido-Knopp schlägt wieder zu" -

ähnliche Schlagzeilen gab es bereits weit vor Erscheinen der filmischen Adaption von Austs Standardwerk zur RAF und so entwickelte sich der "Baader-Meinhof-Komplex" zu einem Faszinosum, einem Politikum, welches noch höhere Wellen schlug, als Eichingers "Untergang".

Die Verfilmung von historischen Stoffen, insbesondere solchen der jüngeren Vergangenheit ist ein heißes Eisen, dies dürfte Eichinger und sein jeweiliger Regisseur schon bei den letzten Tagen im Führer-Bunker gemerkt haben; "B-M-K" erweitert die Angriffsfläche noch einmal deutlich. Ein nicht geringer Teil der Zuschauer dürften mehr oder weniger passiv in Kontakt mit der RAF und den dazugehörigen Strippenzieher gekommen sein, somit liegt es nahe, dass die persönliche Wahrnehmung der damaligen Lage nicht unbedingt kongruent zur filmischen Darstellung ist. Der Faktor, dass es sich bei der RAF um eine große Organisation und eben nicht nur um ein oder zwei Hauptakteure handelt, dürfte jene Probleme bei der Figurenzeichnung noch verstärken.

Somit machen Eichinger und Edel letztendlich das einzig richtige, indem sie sich auf eine Lesart der Figuren festlegen, und die Charakterzeichnung am Maßstab von Austs Buch vornehmen. Man muss diese Interpretation nicht teilen, aber es ist die richtige Konsequenz, um solch ein Projekt zu verfilmen.
Die damit einhergehende Täterperspektive führte zu harscher Kritik, nicht selten wurde angesichts der barbusigen Auftritte von Wokalek und den Onelinern von Bleibtreu eine fehlende Distanz, gar eine Glorifizierung der Terroristen herbeigeschrieben.
Diese Interpretation entbehrt nicht jeglicher Grundlage; besonders die erste Hälfte des Films setzt insbesondere die Figur des Andreas Baader in das Licht eines Antihelden - eine Darstellung, die manchen sicherlich aufstoßen wird.
Wer sich jedoch näher mit dem Film auseinandersetzt, und die Dialoge aufmerksam verfolgt, der wird zwischen den Zeilen und im Subtext eine Menge finden, die den Vorwurf der Glorifizierung als nicht haltbar darstellen.
Edels RAF ist letztendlich eben keine Kampfgruppe für das "Greater-Good", sondern eine Zweckgemeinschaft selbstgerechter Egomanen, die hauptsächlich Gefallen am Chaos und ihrer Allmachtsstellung finden, und nicht an den vorgegebenen politischen Zielen. Die aufgesetzte und schlussendlich unpassende Coolness eines Baaders; die Entscheidung Meinhofs, das Guerilla-Leben ihren Kindern vorzuziehen; die kritiklose Verehrung von Ensslin gegenüber Baader - es gibt mannigfaltige Belege für diese Lesart. Ob sie jedoch angesichts der fragwürdigen FSK-12-Freigabe zu jedem Zuschauer durchdringen wird, steht auf einem anderen Blatt Papier.

"B-M-K" ist ein Täterfilm, daran besteht in Quintessenz kein Zweifel, und das Verantwortlichen-Duo hätte gut daran getan, diese Linie von Anfang an konsequenter durchzuziehen. Der Versuch mit Horst Herold einen "Guten" als Sympathieträger zu inszenieren und installieren, mag zwar verständlich sein; stört aber mit seiner stichwortartigen Abhandlung der Rasterfahndung den Erzählfluss und die Dramatik, und verkommt so zu eher zu einem Störfaktor im Film.

Womit wir beim nächsten Punkt wären: Der Dramaturgie.
Ja, Edel hetzt durch seinen Film.
Ja, besonders gegen Ende werden die Zeitsprünge immer größer.
Ja, jemand der sich mit den Geschehnissen um die RAF und den Deutschen Herbst nicht auskennt, kommt unter die Räder
All diese Kritikpunkte haben ihre absolute Berechtigung; trotzdem nehme ich sie nicht so stark war, wie andere. "B-M-K" ist in letzter Konsequenz eben kein Guido-Knopp-Kino, und hat sich deshalb auch nicht dafür zu rechtfertigen, wenn es historische Abläufe zugunsten einer spielfilmtauglischen Dramaturgie eindampft. Die wohl eindrucksvollste "Action-Sequenz" des Films, der Montagezusammenschnitt der einzelnen Bomben, wäre mit zuviel Faktenbombast im Hintergrund ad absurdum geführt und ihrer Dynamik beraubt worden; gleichzeitig wäre das ohnehin schon überlange Werk unter noch mehr Background wohl endgültig zusammengebrochen.
Es ist eine Buchverfilmung, und als solche sollte man sie auch behandeln.

Technisch und schauspielerisch gibt es wenige Höhen und Tiefen; Eichinger setzt da an, wo er mit "Der Untergang" aufgehört hat: Solide bis schön abgefilmtes Fernsehmaterial, das irgendwie im Kino gelandet ist.
Ebenso typisch für solche Produktionen ist der Overkill an vermeintlichen Stars, welche jedoch bis auf das Trio Bleibtreu-Wokalek-Gedeck eher einem Dasein als mehr oder weniger lange Cameos fristen (sehr deutlich bei Lara). Bruno Ganz funktioniert in seiner ihm zugedachten Rolle souverän, gleichwohl wird er wohl mit dem Malus leben müssen, bis ans Ende seiner Tage auf die Parallelen zu seiner Hitler-Darstellung festgelegt zu werden.

Fazit: Sicherlich ist dem Duo Edel/Eichinger kein Film für die Ewigkeit gelungen; ganz sicher taugt er nicht als Primärquelle für eine Auseinandersetzung mit dem RAF-Mythos, aber als historisches Unterhaltungskino mit gemäßigtem Anspruch funktioniert der "Baader-Meinhof-Komplex" tadellos.

7.5 / 10

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