18. Oktober 2011

Kritik: Hostel


Dafür das Eli Roth gerne ein findiger Geschäftsmann wäre, und von Tarantino-Schützenhilfe bis hin zum Aufsprung auf den saw'schen Folterkinozug alles mitnimmt, was nicht niet- und nagelfest ist, kann man ihm sicher keinen Vorwurf machen - that's business as usual. Dass er ein eher semibegabter Nerd ist, der sein filmisches Gespür bislang galant zu verstecken verstand, kann man ihm hingegen sehr wohl ankreiden. Letzlich ist die Historie und der Ruhm seines Films vor allem eine Ausdruck und Dokumentation des trügerisch-täuschenden www-Wahns: Bereits Wochen vor Erscheinen brodelte die Gerüchteküche der Gorebauer-Foren; da sei etwas Großes im Anmarsch, Etwas, das noch viel härter und blutrünstiger sei, als der formal ähnlich gelagerte "Saw": Ein Film, den man  - wenn überhaupt - nur nach 8-wöchigen Fleischerei-Praktikum überstehen könnte. Internet-Propaganda, die in Retrospektive verlogener daherkommt, als alle Marketing-Strategen dieser Welt es jemals geschafft hätten: Angekündigt als Sehgewohnheiten und Grenzen auslotende Wiederbelebung des in die Jahre gekommenen Splatterfilms, mauserte sich Roths Osteuropa-Trip gerade einmal zur cineastischen Mutprobe für pubertäre Halbstarke.

Natürlich ist "Hostel" ein menschenverachtendes Panoptikum des Schwachsinns und der Perversität. Natürlich ist "Hostel" ein Film, der Folter zelebriert und banalisiert und weder Mitgefühl für die Opfer zulässt, noch eine akkurate - über den puren Selbstzweck hinausgehende - Motivation der Täter kundtut. Natürlich ist "Hostel" schon alleine wegen seines rassistischen Subtextes in der Darstellung der geografischen Schauplätze verachtenswert. Natürlich ist jeder Ansatz, dem Dargebotenen einen Sinn, der über den Tabubruch hinausgeht, zuzugestehen lächerlich.

Aber sind wir ehrlich - all das könnte man über eine ganze Reihe von Filmen aus den einschlägigen Genres sagen. Was "Hostel" zum Bodensatz jener ansich bodenlosen, und keck auf den Namen "Torture Porn" getauften Sparte macht, ist die Tatsache, dass er noch nicht einmal als Film seinen eigenen Ansprüchen gerecht wird: Noch vor allen anderen Ärgernissen, ist Roths zweites Machwerk vor allem eines: langweilig.
Angefangen bei der gnadenlos vergeigten einstündigen Ouvertüre mit ihren peinlich-berührenden Anleihen bei "American Pie" bis hin zum Besuch in der empathielosen Humanschlachterei - der Regisseur bleibt all das schuldig, was er großmäulig versprochen hat: Ekelgefühl kann man nicht mit Verstörtheit gleichsetzen, Schädelspalten nicht mit Spannung. Wer seine Figuren als gesichtslose und notgeile Trottel inszeniert, darf sich nicht wundern, wenn es den Zuschauer nicht stört, dass sie sich gerade von ihren Gliedmaßen verabschieden. Die Avancen des Feuilletons, das hinter alldem satirische Ansprüche vermuten möchte, und Roth gar zum scharfzüngigen Gesellschaftsanalytiker hochjazzt, verstehen kann man sie nur schwerlich: Der Film bleibt den Beweis für ihre Thesen weitestgehend schuldig, bzw. lässt sich maximal so ungalant auf jene Lesart hinbiegen, wie man es bei einer ganzen Reihe anderer Horrorflicks auch machen könnte.
Angesichts eines Blickes in die Kiste mit den italienischen Genre-Produktionen der 70er und 80er oder hinüber nach Japan, kann "Hostel" - und das ist vielleicht die größte Überraschung -  sich noch nichteinmal für den zweifelhaften Orden der heftigsten Schlachterplatte einschreiben: Die Foltereinlagen und die zur Schau gestellte Gewalt wären gerne gewagt, sind in Wirklichkeit aber trotzdem seltsam verklemmt abgefilmt und schlicht und ergreifend dröge in Szene gesetzt.

Für die Allgemeinheit wird "Hostel" damit maximal als ärgerliche Einfallluke des moralisch zumindest streibaren Folterfilms ins Mainstreamkino in Erinnerung bleiben; für die genrekundigen Gorehounds wird er eine belächelte Randnotiz darstellen. So oder so: Die Daseinsberechtigung von "Hostel" tendiert gegen Null, genauso wie die Punktzahl auf der Wertungsskala.

1 / 10

1 Kommentar:

  1. (Sehr) altes Review, aus einer Zeit, als der Film noch aktuell war und ich Zeit für längere Texte hatte. Nur der Vollständigkeit halber hier hinein gestellt. Würde das inhaltlich aber weitestgehend auch heute noch gelten lassen - wobei ich trotzalledem auf die Sichtung von Teil 2 gespannt bin.

    AntwortenLöschen