12. Juli 2011

Kurzkritik: Ikiru

„So schnell stirbt man nicht. Schon gar nicht, wenn man darauf wartet“ -

Dem Schicksal stets im Schatten von Kurosawas bekannteren Samuraifilmen zu stehen, und deshalb gemeinhin nicht mit der ihm eigentlich gebührenden Aufmerksamkeit bedacht zu werden, kann auch IKIRU wohl nicht mehr entfliehen - zu Unrecht: Eingerahmt von der Bestandsaufnahme einer durch das nahende Ende der Besatzungszeit der einstigen Alliierten abermals in der Umstrukturierung befindlichen japanischen Bürokratie, entwickelt Akira Kurosawa am exemplarischen Beispiel ein unaufgeregtes und berührendes Porträt über einen Menschen, aber auch über eine gesamte Gesellschaft.

Lose angelehnt an die verschiedenen Phasen, die der Mensch bis hin zu seinem Tod zu durchlaufen hat, konfrontiert IKIRU sein Publikum dabei mit den letzten Momenten des unscheinbaren Beamten von nebenan, und dessen zwischen Verbitterung und Aufbruchstimmung hin und her gerissenen Bestreben, das eigene Schicksal und den nahenden Tod verarbeiten zu können.
In ruhigen Bildern legt Kurosawa hierbei nicht nur ein Plädoyer für die Macht des Willens, sondern auch für das Ergreifen einer jeden Chance ab: Jedes Ende ist ein Neuanfang.

Dass sich der Film dabei nicht mit seiner starken, aber letztlich auch naiven Botschaft zufrieden gibt, sondern seine Hauptfigur zeitgleich auch zum Moderator eines Rundgangs durch das Berufs- und Privatleben des Japans der 50er Jahre erhebt, ist ihm hoch anzurechnen, und unterscheidet ihn von vielen neueren und eindimensionalen Versuchen, die letzten Tage des Lebens einzufangen: Ähnlich dem schwerkranken Watanabe befindet sich hier eine gesamte Gesellschaft im ständigen Ringen zwischen Tradition und Moderne, zwischen Festhalten und Loslassen; sei es nun der sich zuspitzende Generationenkonflikt, die strukturellen Veränderungen innerhalb der Wirtschaft, oder eine durch Selbstverwaltung zunehmend überforderte Bürokratie: Kurosawa fängt all dies beiläufig, und doch sehr prägnant ein, und gönnt sich in der (tendenziell langgezogenen) zweiten Filmhälfte sogar noch eine schwarzhumorige Abrechnung mit der Scheinheiligkeit der oftmals verantwortungsscheuen und sich nur durch oberflächliche Rituale (groß: die Gedenkfeier) definierenden Politiker- und Bürokratenkaste seiner Landsleute.

Ein Film, der es lohnt, gesehen zu werden.

7.5 / 10

2 Kommentare:

  1. Ein Film, der es lohnt, gesehen zu werden.

    Wie doch eigentlich alle Kurosawas.

    Ich allerdings habe IKIRU selbst noch nicht gesehen. :D

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  2. Nachholen! Für "Kritikerpapst" Ebert der "beste Film von Kurosawa" (auch wenn ich davon ausgehe, dass das keinen zusätzlichen Druck auf dich ausüben wird :D).

    Ich kenne von Kurosawa bislang nur die absolut üblichen Verdächtigen, aber da man die KSM-Scheiben im Moment ja überall hinterhergeworfen bekommt, dachte ich, es ist an der Zeit, die restlichen Lücken endlich zu schließen :)

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