9. November 2010

Kritik: Evita

"Do all your one-night stands give you this trouble?" -

Getrieben von einer blinden Spirale aus Ressentiments und offenem Hass gegen die denkbar einfach zu kritisierenden Namen Webber und Madonna, wurde "Evita" seinerzeit von vielzuvielen Feuilletons gedankenlos verrissen.

Dabei macht die Verfilmung eine Menge richtig, und nur wenig falsch: Parker hat das Wesen des Formates Musical verstanden, auch wenn er bewusst mit den dort vorherrschenden Konventionen zu brechen beginnt - "Evita" versucht selten den heutzutage vorherrschenden Trend, eine Metamorphose von Musical und Film herbeizuführen, sondern liefert formell ein relativ klares Bekenntnis zu Leinwand ab.
Man muss diesen Schritt nicht unbediengt goutieren, manch einer mag es als Verleumdung der Wurzeln wahrnehmen; aber letztendlich bietet sich gerade "Evita" als Stück mit großen Distanzen, breiter Inszenierung und spröden Realismus für solch eine Herangehensweise an.

Parker lässt das Tempo seiner Inszenierung dabei die meiste Zeit mit der Handlung korrelieren, schafft durch schnelle Schnitte und Szenenwechsel vorallem in der Anfangsphase eine ungeheure Dynamik, kann gleichzeitig gegen Ende des Filmes aber auch mit einigen sehr ruhigen und dramatischen Momenten überzeugen.
Den Hang zur (zu) großen Szene verliert "Evita" aber selbst im finalen Tango nicht - das kann man als mangelndes Gespür ankreiden; letztendlich ist es aber dem Stoff und vorallem der Figur entsprechend.

Ein weiterer Stein des Anstoßes: Natürlich zentriert sich der Blick des Regisseurs auf das mediale Zugpferd Madonna - und genau dies ist die richtige Entscheidung gewesen: All die Arroganz, die man Madonna vorwirft, die Exaltiertheit im Zurschaustellen des Privaten, ihre Unnahbarkeit und nicht zuletzt ihr Image und Werdegang als solches, passen perfekt auf die Figur der Eva Peron, die Rice in seinem Drehbuch entworfen hat - Madonna ist Evita ist die Verkörperung eines Way of Life von Unscheinbarkeit zum Rampenlicht.
So sehr das Trio Rice/Webber/Parker dabei geneigt ist, ihrer Evita eine gewisse Bewunderung entgegenzubringen - in die blanke Heldenverehrung, die ihnen oftmals unterstellt wird, rutscht der Film zu keiner Zeit, dazu sind die Texte viel zu ironisiert und sarkastisch gehalten.

Dass eine Chartsängerin nie das Stimmvolumen einer Opern-Koryphäe hatte oder haben wird, ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen; in Zeiten, in denen aber jeder Depp zum Sänger tendiert, fallen Madonnas Fähigkeiten keinesfalls negativ auf, zumal sie zu den vorwiegenden schnellen und massenkompatiblen Songs des Musicals passen.
Das restliche Ensemble darf seiner Diva - ganz im Sinne des Erfinders - zuarbeiten, aber nie übermäßig brillieren - mit Ausnahme von Banderas als zynischen Sidekick und Erzähler, verhaften die wenigsten Nebenfiguren im Gedächtnis.

Kurzum: Eine gelungene und konsequente Verfilmung eines starken Musicals, die häufig darunter zu leiden hat, dass manche Rezipienten den Unterschied zwischen beabsichtigter und unbeabsichtigter Belanglosigkeit nicht ganz wahrnehmen möchten.

8 / 10 

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