22. Januar 2011

Kritik: Texas Chainsaw Massacre (1974)

Things happen here they don‘t tell about.“ -

Es ist eine bewegte Geschichte, auf die Tobe Hoopers zweites Werk zurückblicken kann: Hierzulande nach wie vor wegen seiner angeblichen Gewaltverherrlichung beschlagnahmt, zählt es seit seiner Uraufführung nicht nur zu den kontroversesten Genrebeiträgen überhaupt, sondern auch zu den wenigen Kinofilmen, denen die Ehre zuteil wurde, als Ausstellungsstück in die Sammlung des New Yorker Museum of Modern Art aufgenommen zu werden.

TEXAS CHAINSAW MASSACRE ist ein Film, über den viel diskutiert wurde, oftmals noch immer wird, und dessen Rezeption vermehrt doch nur auf Nebensächlichkeiten gründet. 
Die visuelle Aufarbeitung von Horror ist für Hooper kein Selbstzweck oder dem Bedienen etwaiger Genrekonventionen geschuldet, sondern weit mehr der Ausfluss eines ebenso rohen, wie doch hintersinnigen Portraits eines verunsicherten Landes.

So lässt sich sein Werk auch nur schwerlich vom Kontext seiner Zeit lösen; zu allgegenwärtig ist die Aufarbeitung einer durch Umbrüche und Vietnam-Krieg geschundenen Gesellschaft: Es ist ein Szenario, in dem eine freie Jugend mit einem reaktionären Familienentwurfs konkurriert, in dem städtische Aufklärung auf ländliche Sitten trifft.
Es sind die versteckten Wünsche nach der konservativer Rollenverteilung, die Unterordnung unter ein Patriarchat, die der Regisseur mit seiner Schlächtersippschaft pervertiert und karikiert. Hoopers Mörderbande ist dabei nicht das dunkle Gegenstück zur klassischen, amerikanischen Familie, sondern deren satirische Überhöhung zum Zweck der Entlarvung ihrer Unterdrückermechanismen.
So mag es letztendlich auch nicht verwundern, dass selten mehr Symbolkraft von einem „Final Girl“ ausging, als hier.

Trotz alledem simplifiziert TCM seine Feindbilder nicht unnötig, letztendlich stellt der Film sogar durchaus bewusst die Frage danach, ob die Suche nach Rückhalt innerhalb einer  starken Kleingemeinschaft - auf beiden Seiten - nicht doch auch kausal auf der Angst vor einer zunehmend abstrakter werdenden Entwicklung von Wirtschaft und Politik gründet, und deshalb zwar nicht gerechtfertigt, aber doch nachvollziehbar sei, um die eigene Ohnmacht zu verarbeiten.

Kunst dient hier als Form des Protestes, als ein weiterer Schritt in Richtung jenes politisierten Genrekinos, welches Romero wenige Jahre zuvor begründet hatte.
Folgerichtig verzichtet Hooper auf die Ikonisierung seines Maniac-Killers, und greift auch nicht auf die klassische Filmstruktur zum Erzählen seiner Parabel zurück, sondern ordnet seine gesamte Inszenierung einem nahezu dokumentarischen Duktus unter, dessen Kamera zwar stets vor Ort ist, aber doch bewusst die Distanz zu den Figuren sucht.

Es mag abgestanden klingen, aber es ist doch wahr: TEXAS CHAINSAW MASSACRE ist tatsächlich jener ungeschönte und unverfälschte Terror, von dem man immer wieder liest.
Tobe Hooper zeigt in seinen fahlen und verwaschenen Bildern alles, und doch nichts; Brutalität erscheint innerhalb seines Sujets viel zu alltäglich und omnipräsent, um sie tatsächlich zelebrieren zu müssen.
Insofern wird TEXAS CHAINSAW MASSACRE auch weder seinem Original-, noch seinen vielen Aufmerksamkeit heischenden Verleihtiteln ganz gerecht: Es gibt zwar oftmals blutigere, aber selten verstörendere Horrorwerke.  TCM ist essentielles und großartiges Genrekino, aber für viele heutige Rezipienten wahrscheinlich auch gewöhnungsbedürftig in seiner Langsamkeit.

9 / 10

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