6. Mai 2011

Kurzkritik: Bad Boy Kummer


Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, wenn in diesen Tagen -knapp elf Jahre nach Bekanntwerden von einem der größten Printmedien-Skandale jüngerer Geschichte- das Enfant terrible der deutschsprachigen Presse selbst zum Interview gebeten, dabei erst zum Gegenstand einer Dokumentation und schlussendlich sogar zum Kinostar erkoren wird.
Die Rede ist von Tom Kummer, jenem Schweizer Journalisten, der in den 90ern erst durch Unmengen prestigeträchtiger Interviews mit illustren Persönlichkeiten des nationalen und internationalen Showbiz Berühmtheit erlangte, und anschließend über die Tatsache stolperte, dass jedes einzelne Gespräch ein reines Fantasiekonstrukt aus seiner eigenen Feder war.

BAD BOY KUMMER von Miklós Gimes‘ -selbst ein beruflicher Weggefährte Kummers- ist nun vordergründig die Dokumentation der Vergangenheit seines einstigen Schützlings, weitaus mehr aber auch ein Annäherungsversuch hinsichtlich des „Phänomens Kummer“ selbst. An Ereignis-Rekonstruktion und Personen-Biographien zeigt sich das Kinodebüt des ungarischen Regisseurs dabei wenig interessiert, vielmehr arbeitet er sich mit Archivmaterial und diversen Interviewschnipseln langsam aber sicher zum Antrieb und Motivationsquelle seines Forschungsobjektes vor: Als Regisseur der Wirklichkeit, als journalistischer Grenzensprenger zwischen Fiktion und Realität, als Punk im Establishment sieht sich Tom Kummer selbst, und in seinen gefälschten Reportagen und Interviews weniger Betrug, denn kreative Kunst.

Gimes lässt Kummer immer wieder den Freiraum, sich selbst zu erklären, ist sich jedoch stets bewusst, dass er den Medienprofi gegenüber soweit auf Abstand halten muss, dass jener den Film nicht zur Image-Kampagne für sich selbst umfunktionieren vermag. Besonders zu Beginn und gegen Ende entwickelt jene Verquickung von sympathischen Homestory-Besuchen in Kummers Residenz in Los Angeles, und deren gleichzeitige  Hinterfragung durch Interviews mit Betroffenen und Opfern von Kummers Schaffen eine beachtliche Dynamik, und lassen auch den leicht verschwafelten Mittelteil in Vergessenheit geraten.

Als weitaus weniger schön erweist sich dagegen die optische Aufmachung des Films, die mit schnellen Schnitten, gezwungenen Montagen und unzähligen visuellen Gimmicks nur allzu ausgestellt versucht, jene Art von popkultureller Lockerheit zu transportieren, die dem Selbstverständnis einer Gestalt wie Kummer wohl angemessen erscheinen mag. So etwas hätte BAD BOY KUMMER eigentlich überhaupt nicht nötig gehabt.

7 / 10

erschienen bei: MehrFilm

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