13. März 2011

Kritik: House of the Devil

Baby-Sitting und Satanismus - unmittelbar nach seiner planlosen Hommage an das Splatter- und Backwoodkino vergangener Jahrzehnte in CABIN FEVER II erschienen, legt Ti West nahezu im Alleingang eine weitere Aufarbeitung von zwei sehr klassischen Genretopoi vor, die er zu einer fatalistischen Geschichte verschmilzt. Wests bisheriges Œuvre ließ in all seiner Versiertheit stets einen Verehrer und Fan des abgründigen Films durchscheinen, doch erst sein jüngster Streich offenbart wirklich, dass der Amerikaner auch ein begnadeter Regisseur sein kann.

Natürlich ist THE HOUSE OF THE DEVIL ein bewusst altmodischer Film, einer, dessen grainy look und 80ths-Utensilien durchaus offensiv daherkommen, und der doch zwischen all den halbherzigen Retro-Versuchen und den Hochglanz-Remakes der letzten Jahre einen eigenen und unkonventionellen Weg zu beschreiten versucht: Konträr zu den Spukhaus-Effekten der Konkurrenz, lässt West nicht nur die Optik, sondern auch die Mechanismen der großen Klassiker des Suspense-Kinos Revue passieren; gönnt sich und seinem Werk eine fast einstündige Exposition der Figur und ihrer Situation, fordert das Publikum damit zu jener Geduld auf, die dem Genre in den letzten Dekaden so großflächig verloren gegangen zu sein scheint.

Damit ist HOUSE OF THE DEVIL in erster Linie auch ein Bekenntnis zum Medium Film selbst, eines zur Kraft von Bild- und Tonkomposition, die weder Geschwätzigkeiten, noch visuelle Überladenheit benötigt, um eine einzigartige Atmosphäre zu kreieren. Denn - und hier wird Wests Verehrung gegenüber Roman Polanski, die sich durch den ganzen Film, zieht, deutlich - ebenso wie die Apartment-Trilogie des polnischen Regisseurs, ist auch West mehr am „Wie“, denn am „Was“ seiner Geschichte gelegen: Wenn Jocelin Donahue das Anwesen in der Einöde erreicht, gibt es keinen Zweifel an der weiteren Entwicklung des Plots, dessen ist sich HOUSE stets bewusst, weshalb sich der Blick auch zunehmend auf die wachsende Paranoia zentriert, und spätestens wenn Donahue wie einst Mia Farrow mit dem Messer in der Hand durch die düsteren Gänge des Hauses stolpert, dann ist dies nicht nur ein nettes Zitat des wegweisenden Klassikers ROSEMARY‘S BABY, sondern auch dessen Quintessenz: Der eigentliche Horror spielt sich im Kopf ab, weit bevor er sich in der Realität manifestiert.

Und trotz dieser einschlägigen Prägung fühlt sich Wests vierter Film eigenständig an, setzt er Genrefloskeln und Verweise doch wohl dosiert ein, und zeigt mit dem stilistischen Bruch während des Finales, dass er sich sehr wohl von den großen Vorbildern emanzipieren kann, sobald es nötig erscheint. Umso faszinierender, dass sich all dies auch noch erstaunlich homogen anfühlt, und gar prächtig funktioniert: Die bewusste Reduktion und  das gemäßigte Tempo provozieren mehr Unwohlsein, als alle Highspeed-Slasher im vergangenen Jahr.

THE HOUSE OF DEVIL ist somit nicht die Revolution des Genres, das möchte er auch überhaupt nicht sein, aber er ist eine Verbeugung vor dessen Ursprüngen, und der Beweis, dass man vergangenen Zeiten nicht immer hinterher trauern muss - auch die heutige Filmlandschaft bringt noch solche, gegen den Strich gebürstete Kleinode hervor: Seltener vielleicht, aber immerhin. 

9 / 10 
erschienen bei: mehrfilm

2 Kommentare:

  1. rom:
    Du gibst dem Original "Hallowwen" 5,5 Punkte und der Retro-Kopie "THE HOUSE OF THE DEVIL" 9 Punkte. Das erkläre mal...

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  2. Sehe da keinen direkten Zusammenhang zwischen den beiden Filmen, weshalb ich eine Vergleichbarkeit schon unglücklich finde. HALLOWEEN ist Stalk&Slash, HOUSE ist eine Hommage an das psychologisch geprägte Angst- und Okkultkino von Polanksi, da liegen Welten dazwischen.

    Hab das im dazugehörigen Review zu HALLOWEEN ja schon angesprochen, für mich ist das auch nichts weiter als ein Popourrie aus Versatzstücken, dessen Subtext ich nach wie vor unglücklich finde.

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