3. Januar 2011

Kritik: Sleepy Hollow

"Ist das, was sie da sagen, etwa das, was sie glauben?" -

Ein Mann voll in seinem Element: Lose an Irvings gleichnamiger Erzählung orientiert, dienen die vorgeschobenen Genremechanismen des Horrorfilms Burton vorallem dazu, im Hintergrund weniger ein feinsinniges Portrait seiner Charaktere, sondern vielmehr ihrer Epoche zu zeichnen: SLEEPY HOLLOW ist in erster Linie ein Film über eine Gesellschaft im Umbruch, gefangen im Korsett der Tradition, argwöhnisch gegenüber der als Arroganz diffamierten Aufklärung.

Dabei definiert Burton einerseits zwar klar die Sympathien und Antipathien für seine Figuren, erweitert seine konventionelle Ausgangskonstellation aber insofern geschickt, als das er bewusst vermeidet, Stadt gegen Provinz, Fanatist gegen Denker auszuspielen - je weiter die Geschichte voranschreitet, desto klarer wird der ihr immanente Wunsch nach gegenseitiger Toleranz: Seine Mission, sowie die Schatten der eigenen Vergangenheit löst der entsandte Kommissar letztendlich nicht durch seinen Intellekt, oder die ihm verfügbare Technik, sondern durch die Akzeptanz des für ihn bis dato nicht Existenten - es ist diese Eigenschaft, die ihn wirklich von der herrschenden Meinung unterscheidet, sowohl von den Bauern auf dem Dorf, als auch von den Richtern in der Metropole.

Dass SLEEPY HOLLOW durch seine gesamte Metaphorik noch weitere zahlreiche kleinere und größere Ebenen offenbart, in seiner Offensichtlichkeit schon nahezu frech den historisch verbrieften Soldatenhandel in Zeiten des Unabhängigkeitskrieges mit Hilfe eines ferngesteuerten Schlächters karikiert, und trotz alledem auch noch als ebenso makabres, wie doch atmosphärisches Märchen voller Geister und groschenromanartigen Intrigen funktioniert, dürfte wie schon zuvor in BATMAN RETURNS Tim Burtons ebenso charakteristisch-exaltierten, wie doch durchdachten Regie zu verdanken sein.

Drei Jahre nach seiner bonbonfarbenen Hommage an das Trash- und Science Fiction-Kino in MARS ATTACKS! ist sein Wille zu Besinnung auf alte Tugenden deutlich spürbar, holt der Amerikaner doch nicht nur von Depp über Walken, bis hin zu Stammkomponist Elfman eine Menge altbekannter Gesichter ans Set, sondern versinkt auch noch gänzlich in seinem kleinen melancholisch-düsteren Mikrokosmos, der nicht nur visuell einen Ausblick auf den Jahre später folgenden SWEENEY TODD erkennen lässt, sondern auch fernab des Cameo-Auftritts von Christopher Lee gewollte Erinnerungen an die ähnlich konzipierten Filme der Hammer-Productions evoziert.
Es sind diese kleinen Gesten, die den Filmliebhaber auf dem Regisestuhl durchscheinen lassen, selten ist das Spiel mit Verweisen und Zitaten dermaßen unprätentiös und ehrlich, wie bei Tim Burton.

SLEEPY HOLLOW - ein Film, den man immer wieder neu entdecken kann, und der auch nach mehrmaliger Sichtung nichts von seinem Charme und seiner Brillanz verloren hat.

8.5 / 10

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