29. Oktober 2010

Kurzkritik: Hass

Durch den Verlauf der Geschichte scheinbar legitimiertes Mitt-90er-Sozialarbeiter- und Zeigefingerkino -

Mathieu Kassovitz´ Erkenntnis, dass es eine unsichtbare aber doch allgegenwärtige  Gewaltspirale - ausgelöst durch die Eskalation eines über die Stränge schlagenden Polizeiapparates - gibt, die die Jugendlichen zuerst tyrannisiert und im weiteren Verlauf militarisiert, ist in seinen Grundzügen sicherlich nicht abzustreiten. Es ist einzig der psychologische Unterbau, der bröckelt: Unter dem Deckmantel der Prämisse "Es könnte jeder sein" wählt Kassovitz ein exemplarisches Trio aus der grauen Masse aus, vergisst dabei aber den - für solch ein Drama immanent wichtigen - Zugang zu den Figuren: Vom Geschehen unbeteiligt sieht der Zuschauer, wie sich die Monotonie und der allgemeine Weltschmerz innerhalb weniger Stunden (!) in die titelgebende Emotion des Hasses kanalisiert.
Dieser Verlauf ist so nachvollziehbar wie er platt ist, und erinnert an das von Uli Edel Jahre später praktizierte Banalisieren von Psychologie im RAF-Drama "Baader-Meinhof-Komplex".

Dass der Regisseur für seinen Debütfilm einen denkbar einfachen und manipulativen gestalterischen Überbau verwendet, rundet das unrunde Bild, welches "La Haine" hinterlässt, endgültig ab: Das Leben in suburbanen Sozial-Plattenbauten ist trostlos und monoton - demnach wird auch der Film mit Schwarz-Weiß-Optik versehen.
Dies ist mit großer Wahrscheinlichkeit der am einfachsten zu durchschauende Teil der Symbolik, und doch symptomatisch: Kassovitz´ Mittel sind zu einfach und klischeebeladen, um sein schwieriges Thema angemessen zu bebildern.

Wo ein Politikum zelebriert wird, da ist Unterhaltung im eigentlichen Sinne zumeist abstinent, und auch "La Haine" bildet hier keine Ausnahme: Der scheinbaren Realität wird mit einer nicht existenten Spannungskurve Rechnung gezollt, die Bilder sind unspektakulär, und die schauspielerischen Leistungen ergehen sich beim Bemühen um Authentizität in übersteuerter und nervender Hyperaktivität.

Somit ist es nicht leicht, "La Haine" als Film aufgrund seines hehren Anliegens nicht über- oder unterzubewerten. Tatsache ist jedoch auch, dass er sowohl als politisches Statement, als auch als reiner Unterhaltungsmedium zu viele Feder lassen muss, um sich noch durchschnittlich nennen zu dürfen.

4.5 / 10

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