12. September 2010

Serienreview: Die Simpsons


Man ist als Sympathisant, als Fan, als was-auch-immer ja oftmals in Versuchung geführt, dem Produkt der Begierde alle nur erdenklichen Ehrungen und Würden zukommen zu lassen, die einem so ganz spontan in den Sinn kommen. Und so bezeichnete ich die "Simpsons" in meinen bisherigen Kommentar (der mir nunmehr als viel zu kurz und aussagelos erschien) als "(...) einzige Cartoon-Serie, die Einfluss auf die Popkultur hatte" und verwies auf studiVZ-Gruppen wie "Da gibt es doch diese Simpsons-Folge..." sowie zahlreichen Zitate mit spingfield´schen Ursprung, die wohl so manche Unterhaltung geprägt haben dürften.

Doch obgleich diese Sätze voller Lobhudelei und Ehrehrbietung steckten, wurden sie der gelben Chaos-Familie nicht ansatzweise gerecht: Groening hat mit seinen "Simpsons" nicht nur einen Stichwortgeber und Repetitor von Popkultur geschaffen; vielmehr IST seine Serie ein Stück andauernder Popkultur, gleichberechtigter Teilnehmer in einem Zirkel illustrer Persönlichkeiten von "B" wie Beatles bis "W" wie Warhol.

Ich bin sogar so selbstgerecht, und behaupte, die Aussagen im ersten Abschnitt stellen keineswegs nur eine Meinungsäußerung meinerseits dar, sondern könnten sich in etwas blumigeren Worten in jeder Enzyklopädie wiederfinden - man muss sich schließlich auch keinen Lichtenstein ins Wohnzimmer hängen, um ihn als Teil der modernen Kunst zu akzeptieren - sprich, man muss die "Simpsons" nicht mögen, um ihren objektiven Stellenwert anzuerkennen.
Aber genug von solchen Termen wie "nicht mögen" - in den folgenden Zeilen wird sich ausschließlich grenzenlose und hoffentlich halbwegs anständig formulierte und verpackte Glückseeligkeit wiederfinden.

Manch einer mag sich ja fragen, ob angesichts solcher Formate wie "South Park" oder "Family Guy" die "Simpsons" ihren Ruf als beste und anspruchsvollste Cartoon-Serie nicht langsam aber sicher abgeben sollten?! Mitnichten behaupte ich - denn die Simpsons bieten etwas, was es so noch nie in Trickserien gab und auch bisher nicht wieder gegeben hat: Nämlich eine emotionale Bindung an die Figuren. "South Park" mag weiter Richtung Schmerzgrenze gehen, vielleicht sogar mehr politischen Subtext bieten - aber dieses Mittendrin-Gefühl aus Springfield, diese Illusion, man kenne und schätze all diese Figuren und ihre Eigenarten langsam aber sicher persönlich - das stellt sich nur beim gelben Urgestein von Groening ein. Wo "Family Guy" Abziehbildchen und austauschbare Pointen bietet, da präsentieren sich die Simpsons trotz ihrer ebenfalls scherenschnittartigen Charakteranlage als durchaus ernstzunehmende, menschlich reflektierende und wandlungsfähige Figuren, deren Dialoge vielleicht nicht die Tabulosigkeit anderer Comic-Vertreter aufweisen, gleichwohl aber höchst amüsant und bisweilen sehr hintersinnig daherkommen können - sofern man sich denn ein bisschen Allgemeinwissen angeeignet hat, um die diversen Anspielungen überhaupt zu verstehen. Aber selbst wenn man mit dem zu vermeidenden Zustand des niedrigeren Intellekts geschlagen ist, finden sich genügend (qualitativ gute) Slapstick-Pointen um trotzdem seinen Frieden mit der Serie schließen zu können.

Insofern ist Springfield nicht weniger als das "Twin Peaks" unter dem Comicmetropolen (ein absoluter Superlativ, der nur sehr selten Anwendung in meinen Kritiken findet) - ein Ort, in dem man sich sofort heimisch und gut aufgehoben fühlen würde.

Man darf in einer Gesamtbetrachtung aber sicherlich auch nicht verschweigen, dass dieses fanboy´sche Wohlwollen in den letzten Staffeln mal mehr, mal weniger hart auf die Probe gestellt wurde: Die Überflutung an Cameos ohne wirklichen Bezug zur Handlung und ohne die satirischen Spitzen der älteren Folgen ihnen gegenüber, mag ein werbeträchtiger und finanziell sinnvoller Schachzug gewesen sein, der Serie qualitativ genutzt hat er nicht und erinnert beizeiten an die lieblosen Promi-Charaden aus dem Hause Dreamworks/Pixar & Co. Dazu kommt, dass das in Mode gekommene Umschreiben der einzelnen Werdegänge der Protagonisten und ihrer Beziehungen zueinander in den Rückblick-Folgen zum Teil stark an deren Glaubwürdigkeit und letztendlich auch an den Pfeilern der Sympathie zu ihnen sägt.

Aber letztendlich ist das Makulatur - denn spätestens wenn man irgendwann zwischen 18 und 19 Uhr Homers liebenswürdiger Debilität, Barts Gerissenheit, Lisas Besserwisserei, Marges Fürsorge, Maggies konsequentem Stillschweigen oder Flanders "dudelidü" beiwohnen darf, dann spendet mir das inneren Frieden und die Gewissheit, dass ich einem künstlerischen Erzeugniss teilhaben durfte, dass seinen Weg in die Annalen wohl schon längst gefunden hat.

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