19. März 2011

Kritik: The Informers


Wie einst in seinem Roman THE INFORMERS verzichtet auch die gleichnamige Verfilmung, für deren Drehbuch sich Autor Bret Easton Ellis selbst mitverantwortlich zeigt, auf einen klassischen Plot, sondern zeigt stattdessen die mal lose, mal gar nicht miteinander verknüpften Ereignisse verschiedenster Personen innerhalb einer Woche im Los Angeles der 80er Jahre.

Eine vollständige Aufarbeitung der Kurzgeschichtensammlung, die neben den filmisch behandelten Episoden auch noch eine übernatürliche Komponente, namentlich einen Vampir, ihr Eigen nennt, erwies sich als ausgesprochen komplex, und so sollte es mehrere Jahre dauern, bis das entschlackte (und nun vollständig von paranormalen Phänomenen befreite) Skript endlich seinen Weg auf Zelluloid fand.
Überladen ist der Film auch in seiner jetzigen Form noch, eine detailgenaue Synopsis erscheint noch immer schwer, und doch stellt sich bereits nach wenigen Filmminuten eine gewisse Sicherheit ein: Eigentlich spielen die einzelnen Handlungsfäden in der Konzeption nur eine marginale Rolle, denn weitaus mehr als an klassischen Storytelling, ist Ellis und seinem Regisseur Gregor Jordan an dem Versuch gelegen, eine Zustandsbeschreibung einer ganzen Gesellschaft in einer Dekade voller Umbrüche abzuliefern.

Somit ist THE INFORMERS -im Positiven, wie im Negativen- auch der erwartungsgemäße Ellis-Stoff, der hier aufbereitet wird: Es geht um Irrungen und Wirrungen, um Misstrauen und Enttäuschungen in einer materialisierten und enthumanisierten Welt, in der sich jeder selbst der Nächste ist.
Anders als noch in AMERICAN PSYCHO beschränkt sich Ellis hier jedoch nicht nur auf den Mikrokosmos einer großstädtischen High-Society im Yuppie-Jahrzehnt, und deren Problemen irgendwo zwischen Koks und Kopulation, sondern setzt der Upperclass ein Schicksalsgemisch von weniger Privilegierten (stark: Mickey Rourke als White-Trash-Gangster) gegenüber.

So interessant diese Variation der Ausgangssituation scheint, so banal und enttäuschend fällt gegen Schluss doch auch deren Resultat aus, welches keinen Willen zeigt, sich von der Quintessenz des bisherigen Œuvres des Popkultur-Literaten zu emanzipieren: Egal in welcher Gesellschaftsschicht man sich gerade bewegt, egal, in welchen Variablen sich die Lebenswege im Einzelnen unterscheiden mögen, die Probleme sind doch stets die gleichen: Gelebter Egoismus führt zu Einsamkeit, verdrängte Emotionen und fehlende Aussprachen bilden Ballast für den Einzelnen, und eine Gemeinschaft, die all dies zulässt, wird sich bald selbst zum Problem.

Wirklich neu sind diese Erkenntnisse nicht, neben dem oben bereits genannten Eigengewächs AMERICAN PSYCHO, zog auch Roger Kumbles in seiner unterschätzten deLaclos-Adaption EISKALTE ENGEL ein ähnlich pessimistisches Fazit über die schädlichen Auswirkungen des zelebrierten Hedonismus in einer modernen Welt.

Es fällt angesichts wirklicher Neuigkeiten innerhalb eines Films, der so gerne als bissiger Kommentar zu einem bestimmten Zeitgeist verstanden werden möchte, deshalb bisweilen auch schwer, über die Schwächen von THE INFORMERS hinweg zu sehen, die vor allem darin liegen, dass das Duo Ellis/Jordan im Umgang mit ihrem Sujet einen ähnlich schnelllebigen Blick walten lässt, den sie ihren Figuren darin vorwerfen: Auch der Film selbst fühlt sich kalt und leblos an, das Fehlen von Empathie oder Verständnis für die Protagonisten mag Teil des Distanz-Konzepts sein, macht aber auch den Zugang zum sowieso recht weit vom heutigen Publikum entfernten Stoff nicht unbedingt leichter.

Mit all seinen reduziert inszenierten Plotsträngen und -sprüngen, von denen es in Gesamtbetrachtung einfach ein paar zuviel gibt, schlingert der vierte Spielfilm des australischen Regisseurs gerade im Mittelteil dann auch erstaunlich inkohärent umher, und verliert viel von jener Dynamik, die er am Anfang geschickt aufgebaut hat: Bissige Dialoge und sezierende Einstellungen nehmen -sowieso ungewöhnlich für Ellis- wenig Platz ein, und werden mit zunehmender Laufzeit stetig reduziert.

Und trotzdem ist THE INFORMERS kein Totalausfall, ziemlich sicher ist es nach AMERICAN PSYCHO sogar die beste Adaption eines Ellis-Romans, dessen Liebe zum Detail auch hier in kühl-kargen, und sehr charakteristischen Settings Ausdruck findet, und beweist, dass die 80er als Jahrzehnt mindestens ebenso stylisch, wie auch oberflächlich und belanglos waren. Gleiches gilt für den Film.

4 / 10
erschienen bei: Reihe Sieben

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen