21. Januar 2012

Shorties: M. Butterfly

"I'm trying my best to become somebody else." -

Was sich mit DEAD RINGERS und NAKED LUNCH bereits andeutete, findet hier seinen vorübergehenden Höhepunkt: M. BUTTERFLY hat formal wenig bis nichts mehr mit dem „alten“ Cronenberg gemein, und doch ist es ganz unverkennbar ein Film mit der Handschrift des Kanadiers geworden, vielleicht sein bis dato bester überhaupt.

Nicht nur die Bezugnahme auf Puccinis Oper im Titel, sondern auch die vielen Theatersequenzen bis hin zum tragischen Schlussakt auf der Bühne offenbaren dabei die Lust des Regisseurs, seinen Figuren und dem Zuschauer den Spiegel vorzuhalten, und sie mit einer Welt zu konfrontieren, in der Wahrnehmung und Realität nur auf den ersten Blick deckungsgleich scheinen, in Wahrheit aber stets auseinander zu fallen drohen, überdeutlich: Irons‘ (nach seiner Doppelrolle in DEAD RINGERS abermals fantastisch) Gallimard ist Betrüger und Betrogener zugleich; sein Leben letztendlich nicht viel mehr als eine Vermischung von Wirklichkeitsflucht und Fiebertraum. Spätestens in den Momenten, in denen sich die filmische Handlung aufzulösen beginnt, zwingt Cronenberg parallel zu seinem Hauptcharakter, auch das Publikum zur Reflexion des Erlebten: All die pompösen Bilder über Land und Gebräuche geben letztlich doch nur den engen Blick eines westlichen Beobachters wieder; der gesamte Reiz des Verbotenen und der Romantik, der man selbst zu erliegen droht; letztlich ist es alles nur trügerische Projektionsfläche eigener Gedanken und Wünsche. Das Auge sieht nur, was es sehen möchte.

Und so ist Cronenbergs M. BUTTERFLY schlussendlich auch weitaus weniger Ausstattungsoper oder großspuriges Melodram, sondern ein nachdenklicher, pessimistischer, aber niemals zynischer Kommentar zu den klassischen Themen des Filmemachers, wie Realitätsverlust und Auseinanderfall von Physis und Psyche. Großartig.

9 / 10

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