22. Oktober 2010

Kritik: Eden Lake


Einen innovativen Thriller zu drehen ist Etwas, was man nicht nach ein paar Stunden an der Filmhochschule lernen könnte; viele Mittelmaß-Regisseure haben sich daran verhoben - das Gute war nur: Mittelmaß-Regisseure drehten mittelmäßige Thriller, die dann mittelmäßig vermarktet als Direct-to-DVD in der Videothek gelandet sind. That´s life, that´s business - nichts über das sich der kleine Cineast in uns freuen würde, aber im Großen und Ganzen doch verschmerzbar.

"Eden Lake" unterscheidet sich von diesen, anderen zwecklosen Versuchen der Kreativität, was zu allererst daran liegen dürfte, dass er mehr sein möchte:
James Watkins fühlt sich seiner Konkurrenz, vorallem aber seinen Rezipienten unglaublich überlegen, indem er das - sich langsam zu Tode schlitzende - Genre des Backwood-Slashers mit einer realistischen, vorallem aber mit einer politischen Metaebene zu durchtränken versucht.
So abgehoben sein Größenwahn hierbei, so lächerlich ist sein Talent: "Eden Lake" ist durchzogen, wenn nicht sogar vollständig existent, aus den billigsten Elementen eines Regie-Baukastens im Sonderangebot: Ein sonnendurchflutetes Klassenzimmer und überstrahlte Naturbilder als Synonym für die heile Welt, ein dreckverschmiertes Gesicht und ein kaputtes Kleid das Negativpendant dazu - so einfach funktioniert die Symbolik in "Eden Lake". Spannung entsteht während der gesamten Laufzeit nie wirklich, sondern wird dem Zuschauer durch die beiden Hauptprotagonisten, die den Debilität-Regler ganz aufgedreht haben, regelrecht aufgezwungen: Da klettert man schonmal in wildfremde Häuser oder erlaubt sich mit der schreckhaften Beinahe-Verlobten einen aberwitzigen Taschenlampen-Scherz. Trauriger Höhepunkt des Ganzen: Äste in Füßen werden nicht an der Sohle, sondern durch (!) den Fuß herausgezogen. Wieder etwas gelernt...

Inhaltlich - man hat ja in der SUN ein paar Mal von Pub-Keilereien und aufmüpfigen Jugendlichen gelesen - hat die Generation Ed Gain und Charles Manson langsam ausgedient, weswegen die blutgierigen HillyBillies nun keine Kettensägen, sondern Mobiltelefone für ihre Folter einsetzen.
Doch anders als etwaige Genreurväter, denkt Watkins garnicht daran, dies als narrativ ungenügende, aber immerhin spannungsgeladene Ausgangsposition zu inszenieren: Seine Terrorgang bekommt einen Background verpasst, eine zweifelhafte Legitimation für ihr Handeln - kaputtes Elternhaus, gestörtes Empathieempfinden, ein Umfeld aus Toleranz und Ignoranz gegenüber der jugendlichen Gewalt. Vom Tiere quälen, über Gruppenzwang, bis zum Gewalt-goes-Youtube-Fetisch: "Eden Lake" vermischt auf auf ekelhaft anbiedernde Art und Weise ein Bild jugendlicher Straftäter, wie es die Boulevardmedien eifrig durchs Land tragen, mit den eingedampften Milieu- und Ursachenstudien von Sozialabeitern. Fast möchte man meinen, die Macher wüssten zwischendurch selbst nicht so genau, was ihr Häufchen Zelluloid eigentlich für einen Grundtenor haben soll.

Diese vermeintlichen Unsicherheiten nehmen gegen Ende ab: Sich sichtlich auf die ominöse "Terror"-Wirkung verlassend, verwandelt sich Watkins Film vom anfänglichen Ärgernis in einen inakzeptablen Zero-Tolerance-Werbeclip mit der Botschaft: Vertraue niemanden - alles was keine Drei vor dem Alter stehen hat, führt dich ohne mit der Wimper zu zucken zur Schlachtbank.

Wie schlecht dabei die Inszenierung und die Bindung zu der flüchtenden Hauptfigur wirklich ist, offenbart sich in aller Deutlichkeit bei der finalen Verfolgungsjagd: Obwohl Watkins seine Täter auf manipulativste Art und Weise in Szene setzt, scheitert er daran, bei seinem Auditorium das intendierte (aber zum Glück großräumig vergeigte, weil äußerst zweifelhafte) "Recht-so"-Gefühl beim hassdurchsetzten Überfahren der Tat-Komplizin bei zu aktivieren. Noch nicht einmal an dieser Explosion der Emotionen, in der aus der biederen Grundschullehrerin eine Mörderin wird, hat der Betrachter so etwas wie Anteilnahme.

Somit ist "Eden Lake" noch bevor man sich über die inhaltlichen Unzulänglichkeiten und die lahmarschige Inszenierung aufregen könnte, als moralisch komplett inakzeptabel und höchstgradig ärgerlich abgeurteilt. "Eden Lake" produziert jenes Bild von Straftätern, dass Michael Caine später in "Harry Brown" mit einer Pumpgun und unter Beifall, dass Lebenslicht auspusten darf.

Es bleibt zu hoffen, dass dieses Machwerk aufgrund der gerade noch erträglichen Gewaltdarstellung nicht allzuviel Anklang in den Kreisen findet, vor denen uns sein Regisseur so eindrücklich zu warnen versucht.

0 / 10

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