2. Juni 2011

Kurzkritik: Wer ist Hanna?

"Where do you come from?" -

Es ist der vielleicht ehrlichste und nicht selten auch berührenste Genrefilm (wenn man HANNA den überhaupt so nennen möchte) mit einer jugendlichen Hauptfigur geworden, den das Kino seit ein paar Jahren hervorgebracht hat.

Was HANNA von den in letzter Zeit so inflationär oft auftauchenden Comic-Amazonen eines Zack Snyder oder Matthew Vaughn, aber auch von der zum Prototyp hochgejazzten LEON-Lolita unterscheidet, ist in erster Linie der Mut, wirkliches Verständnis für die Protagonistin und deren Probleme aufzubringen: Saoirse Ronan ist das Zentrum des Films, ihre Odyssee durch die ganze Welt und zu sich selbst, der dominierende Handlungsstrang, den Wright nie aus den Augen verliert, und nur dezent -und damit wohltuend gegen die Erwartungshaltung des Publikums gebürstet- mit schnell geschnittenen Actionsequenzen und Geheimdienst-Aufhänger anreichert. Rache und Gewalt sind damit zwar auch in HANNA omnipräsente Themen, und doch gerät der Film nie in die gefährlichen Untiefen einer zweifelhaften Glorifizierung von Brutalitäten - die Schmerzen, die Wright seine Figuren auf vielen Ebenen erleiden lässt, haben etwas authentisches an sich; die eiskalt-präzisen Mordakte verlieren nie ihre unmenschlichen Züge.

Und obwohl der Regisseur mit eben jenen Szenen bekannte Genre-Muster aufbricht, dem Zuschauer ein unhinterfragtes Identifikationsangebot, oder besser: eine klassische Heldin, vorenthält, ist HANNA ein durchaus emotionaler Film. Einer, der den in Bildern voller kühler Tristesse eingefangenen Road Trip seiner Figur nicht zum Sightseeing herunterbricht, sondern als Synonym für pubertäre Sinnkrise, Identitätssuche in einer fremden Welt und für verlorene Kindheit verstanden haben möchte, und der es sich tatsächlich traut, sein Publikum -ebenso wie Hanna selbst- in eine ungewisse Zukunft zu entlassen. Eine kleine Perle, und die erste Überraschung im noch jungen Kinojahr.

8 / 10

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