9. Februar 2011

Kritik: In einer besseren Welt (Hævnen)

Gewalt erzeugt Gegengewalt -

„Hævnen“, wie „In a better world“ im dänischen Originaltitel heißt, ist nicht unbedingt der Film, den man von Susanne Bier nach ihrem letzten Ausflug in den independent-angehauchten Mainstream mit „Things we lost in the fire“ erwartet hätte. Das ist insgesamt positiv zu vermerken, zeigt es doch, dass die dänische Regisseurin nach wie vor in keine der vielen Schubladen passt, in die sie von der Filmkritik bisweilen gesteckt wird, und dass sich Dogma-Stil und Hugh-Grant-RomCom innerhalb eines Œuvres nicht zwangsläufig ausschließen müssen.

Dass Wandelbarkeit und steter Fortschritt dabei aber nicht zwangsläufig Hand in Hand gehen, beweist „Hævnen“ nun leider allzu drastisch: Viele Probleme, kleine und große, hat Bier auf der Agenda für ihren neusten Film stehen, tatsächlich scheitert sie an eben dieser aber bereits nach wenigen Minuten: Jugendliche und erwachsene Einsamkeit, Suizidgedanken und Verdrängung, hilflose und missverstandene Vaterfiguren, Eheprobleme und fehlende Kommunikation - es ist keine halbe Stunde vergangen, da hat „Hævnen“ die Grundlage für seine groß angelegte (oder besser: großspurige) Gewaltparabel bereits dermaßen mit lose verknüpften Problematiken und Klischees überladen, dass das Zusammenbrechen des Gesamtkonstrukts eher eine Frage nach dem „Wann“ als nach dem „Ob“ zu sein scheint.

Es ist eine Geschichte von Missverständnissen, und deren fatalen Folgen, die die Regisseurin hier erzählen möchte, davon, dass kleine Gesten großes Unheil beschwören können, dass Rachegedanken und verletzte Empfindungen stets der Stein des Anstoßes für einen unaufhaltsamen Strudel des Misstrauens sind - ob nun auf dem Pausehof in Dänemark, oder im afrikanischen Hilfscamp am anderen Ende der Welt.

Natürlich erscheint diese Parallele zwischen der sich verdichtenden Gewaltspirale in der kleinen Vorstadt-Welt und der politischen Situation in Afrika griffig und ambitioniert, und doch ist ihre reine Existenz unnötig. Es ist kein Aufwerfen neuer, sondern ein Ausbuchstabieren bereits bekannter Aspekte und Fragestellungen, dass Bier hier betreibt; ihre Plotstränge korrelieren nur insofern miteinander, als dass sie gleiche Variablen in anderen Umgebungen ausdiskutieren.

Die Anzahl der gezeigten Moralitäten ist hoch, trotzdem oder gerade deswegen bleibt beim Publikum nach dem Abspann eigentlich nur die Frage erhalten, warum „Hævnen“ so sehr um Komplexität innerhalb seiner Erzählung bemüht ist, wenn die daraus resultierenden Schlüsse doch denkbar banal sind: Gewalt erzeugt Gegengewalt; nur Vergebung ebnet den Weg aus der Spirale des Hasses.

In all seiner heuchlerischen Scheinintellektualität und dem bewussten Unterstreichen seiner Arthouse-Ambitionen durch IKEA-Optik und bewusster Unzugänglichkeit innerhalb der Aufarbeitung seines Sujets mag „Hævnen“ so zwar ein sicherer Kandidat für die anstehenden Academy-Awards sein, ein interessanter Film ist Biers oberflächliche  Mediation über Gewalt und ihre Folgen aber nicht.

3 / 10
erschienen bei: mehrfilm und Reihe Sieben

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