3. November 2010

Kritik: There Will Be Blood

"When ambition meets faith" -

Durch den nahezu zeitgleich gestarteten Coen-Langeweiler "No Country For Old Men" zu Unrecht an den Kinokassen ins Abseits gedrängt, erfährt Andersons Film nachwievor zu selten die ihm zustehende Würdigung: "There Will Be Blood" ist ein Meisterwerk, ein Film, der nahtlos an die großen Epen des letzten Jahrhunders anknüpfen kann, und mit seinem Dualismus aus inhaltlicher Komplexität und formaler Schlichtheit auch die Konkurrenz berühmter Bühnendramen nicht zu scheuen braucht.

Angefangen bei einer langen, nahezu wortlosen Introsequenz als Reminiszenz an die Western Leones, über zahlreiche symbolträchtige Motive bis hin zum düsteren Schlusspunkt - Anderson zelebriert jedes einzelne seiner Bilder in all ihrer Schönheit oder Tristesse.

Diese in die Breite angelegte Inszenierung ist so ruhig und hypnotisch, wie sie schleppend ist, und manch einer mag deshalb in Versuchung sein, dem zweieinhalbstündigen Epos eine gewisse Trägheit und Monotonie vorzuwerfen.
Ein Urteil, wie es falscher nicht sein könnte: Hinter seiner staubig-spröden Fassade verbirgt sich einer der intelligentesten Plots der letzten Jahre: Obwohl "There Will Be Blood" mit seiner Thematik um Glauben und Öl dabei in gewisser Weise evoziert, die Parallele zur amerikanischen Tagespolitik der Ära Bush zu ziehen, so verschließt er sich doch deutlich einem Vorgehen, ihn einzig auf diese Prämisse herunterzubrechen und zu instrumentalisieren: Der Werdegang von Daniel Day-Lewis ist in erster Linie eine reduzierte Parabel über die menschlichen Emotionen wie Gier, Neid und Missgunst - erst an zweiter Stelle offenbaren sich die historischen und politischen Lesarten des Werkes, welches neben den oben bereits genannten Verweisen zur Außenpolitik auch etliche Rückschlüsse auf die amerikanische Geschichte um 1900, oder globaler: die Geschichte des Kapitalismus, zulässt.

Anderson beschränkt sich in seiner Erzählung hierbei auf wenige Personen, und zentriert den Fortgang der Geschichte nahezu vollständig auf seinen Hauptprotagonisten. Die Bürde, die Daniel Day-Lewis damit stemmen musste, war groß, aber er meistert sie mit Bravour: Dass ihm oftmals vorgeworfene Overacting ist keines, vielmehr passt es sich nahtlos in das inszenatorische Gesamtkonzept ein, welches auch in den Dialogen oftmals näher an der Bühne, denn an der Leinwand ist. Lewis forsches Auftreten vermittelt exakt die Stärke und den Willen, den es benötigt, um den Werdegang des Selfmade-Man glaubhaft verankern zu können.
Der restliche Cast weiß durchweg zu überzeugen, hat aber mit Ausnahme von Paul Dano als fanatischer Dorfpfarrer nahezu keine Gelegenheit, um sich aus dem übermächtigen Schatten des Hauptcharakters heraus zu spielen.

Kurzum: Mit großer Wahrscheinlichkeit kein Film, in den man sich verlieben kann - aber wer sich bisher auf der Suche nach der Quintessenz des modernen Kinos befand: "There Will Be Blood" ist ein Wink mit dem Zaunpfahl - denn Andersons Ölmagnaten-Epos ist mit großer Wahrscheinlichkeit DER beste Film des letzten Jahrzehnts.

10 / 10

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