2. Januar 2011

Kritik: Charlie und die Schokoladenfabrik

"Everything in this room is eatable, even I'm eatable! But that is called cannibalism" -

Trotz seines nominell hochkarätigen Cast, in den Diskussionen um den Name Burton oftmals übergangen, bleibt CHARLIE AND THE CHOCOLATE FACTORY auch für mich ein eher schwer zu fassender Film, der oberflächlich betrachtet, sogar wirklich einem Essenzwerk des Regisseurs am nächsten kommt, der aber nichtsdestotrotz in seinen Ansätzen schon jene inhaltsarmen Selbstzweckhaftigkeiten besitzt, die ALICE IN WONDERLAND zu dem Film machten, der er war:  Ein Ursprungsstoff, den man charmant verkleidet hat, bei dem aber nie eine wirkliche Durchdringung von Vorlage durch Visualität stattgefunden hat, wie es in anderen Burton-Werken der Fall war.

Es ist sicherlich ein Qualitätsmerkmal, dass man sich auch bei den schlechteren Filme des amerikanischen Regisseurs gut aufgehoben fühlt, und das man ihm sein letztendlich plattes und bekanntes Vorhalten des Spiegels gegenüber einer kapitalistisch geprägten Gesellschaft nicht übel nimmt - aber jenes was in EDWARD SCISSORSHANDS und BATMAN RETURNS eher beiläufig in ein großes Ganzes implementiert wird, bekommt im vorliegenden Fall nun einen Thron errichtet: CHARLIE AND THE CHOCOLATE FACTORY ist ein Märchen, gewoben um Gesellschaftskritik und fehlgeleitete Egomanie; bleibt aber trotz mancher interessanten Ansätze in der Charakterisierung und dem Hinterfragen der eigentlichen Rolle des Fabrikbesitzers, in erster Linie ein plattes Moralstück ohne doppelten Boden.

Fast erscheint es angesichts dieses Subtextes ironisch, dass auch CHOCOLATE FACTORY selbst in hohem Maße jene Konsumhaltung hofiert, die er eigentlich bekämpfen möchte: Er bietet seinem Rezipienten genau das, was er vordergründig mit der Marke "Tim Burton" verbindet, die überdreht-bunte, aber doch morbide Welt, angereichert mit den melancholischen, zum Teil gebrochenen Figuren (gewohnt souverän: Depp und Bonham-Carter), dazu charmantes Zitatkino -  aber vieles davon bleibt dieses Mal wirklich nur vordergründig, ein Kratzen an der Oberfläche, hübsches Bebildern von Banalitäten.

Es ist dabei der erste Film im jüngeren Œuvre des Filmemachers, der zwar überdeutlich Burtons Handschrift, aber offensichtlich nicht sein Herzblut besitzt: Obwohl sich CHOCOLATE FACTORY in seiner Geschichte verliert, und so trotz seines Märchen-Charakters mit allzu formalen Erzählmechanismen bricht, eine große emotionale Nähe zu den Figuren mag sich nicht einstellen - ausgerecht seine größte Stärke, das Wecken von Empathie gegenüber skurrilen Außenseiterfiguren, spielt Tim Burton hier niemals wirklich aus.
Alles sieht burtonesk aus, aber es fühlt sich viel zu selten danach an.

Damit bleibt CHARLIE AND THE CHOCOLATE FACTORY noch locker ein gutes Genrewerk, an dem sich jeder Zuschauer, je nach Kenntnissstand die eigenen Highlight-Rosinen herauspicken kann, aber hinter seiner zuckersüßen Fassade, ist er letztendlich hohl wie ein Schokoladenhase.

6 / 10

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen