16. August 2010

Serienreview: Das Model und der Freak

Ja, ich gebe es zu, irgendwann - vor Jahren – habe ich schon mal reingezappt in „Das Model und der Freak“ und es erfolgreich verdrängt. Doch aller Vergangenheitsbewältigung der Betroffenen zum Trotz hat sich der wunderschön niveauvolle Newcomer-Sender „Sixx“ dazu entschlossen, diesen besonders grausigen Ausfluss deutschen Reality-TVs wieder ins Programm zu nehmen und ahnungslose Zapper wie mich damit zu behellen.

Kann man ja mit viel gutem Willen solche Sachen wie „DschungelCamp“ und „Frauentausch“ als soziologisch wichtiges Anschauungsmaterial deklarieren, so ist „Das Model und der Freak“ nur noch eine auf Zelluloid gebannte Grundrechtsverletzung und Volksverblödung.
Sinn der Sendung ist es „zwei Freaks bei ihrer Umwandlung vom in sich gekehrten Nerd oder Geek zum selbstbewussten Frauenhelden[zu] begleiten.“

Damit das funktioniert braucht man erst mal einen (zur Sicherheit aber doch besser zwei) „Freaks“. Der natürliche Lebensraum der Gattung „Freak“ besteht aus einer Ein-Zimmer-Sozialwohnung mit runtergelassenen Jalousien und ist dekoriert mit Postern der „Böhsen Onkelz“ und dicktittigen Computerspiele-Babes und herumliegenden Pizzakartons. Da dadurch allerdings der Unterschied zur Hauptzielgruppe des Formates noch nicht abschließend gegeben ist, hat man dem homo freakus noch seltsame Hobbies verpasst, etwa Musicals singen, mit Pflanzen sprechen oder erotische Gedichte schreiben. Nach spätestens drei Folgen drängt sich allerdings mehr und mehr auf, dass den Machern jegliche Art von Beschäftigung, die sich nicht in 24-stündigen Flirtmarathons und der dauernden Jagd nach dem nächsten Coitus manifestiert, suspekt ist. Insofern ist diese Community hier auch nur eine große Selbsthilfegruppe.

Damit diesen beiden bemitleidenswerten Gestalten – die wahrscheinlich alle ganz glücklich waren, bis ein verblödetes Familienmitglied auf die Idee kam, bei so einer Show mitzumachen sei „eine tolle Chance“ – geholfen werden kann, haben die kreativen Köpfe hinter diesem Machwerk keine Kosten und Mühen gescheut, die Crème de la Crème der deutschen Model-Szene als Be-happy-Coaches zu engagiert. Schon hier wird klar, wie dankbar man Heidi Klum sein muss – die hat zwar auch eine Stimme, wie man sie sonst nur vom Rollfeld eines Airports kennt, beherrscht allerdings im Gegensatz zu Ex-Pocher-Matratze Monica Ivancan, Pizzabäckerin Jana Ina und Co wenigstens auszugsweise deutsche Grammatik und Aussprache.

Sind die Fronten geklärt (was durch ein Freak – Model-Interview erfolgt, auf das die Stasi stolz gewesen wäre), kann es auch schon losgehen, auf dem Weg vom Freak zum Man of the Century. Dieser Pfad besteht aus drei Phasen bzw. Prüfungen, wobei die die finale Aufgabe eines der beliebten Privatsender-Umstyling und Shoppingausflüge in den nächsten H&M ist. Das erscheint unsinnig, da die Kandidaten erst dann passabel aussehen, wenn alles schon vorbei ist – andererseits wäre ja auch das ganze schöne Konzept hinüber, wenn man die beiden Freaks nicht zuerst an der Leine durch die Arena führen könnte. Zuckerbrot und Peitsche nannte Bismarck das.

Den traurigen Höhepunkt bilden dann eben jene zwei Prüfungen, die dazu dienen sollen, aus den „schüchternen sozial-inkompetenten Nerds“ offene und brauchbare Mitglieder unserer Gesellschaft zu machen. Diese Aufgaben sind absolut aus dem Leben gegriffen, und würden von jedem Normalo ohne weiteres und ohne Diskussionen mit größter Freude ausgeführt. Da stehen solche alltagstauglichen Dinge auf dem Programm wie „Verkleidet als Baywatch-Depp mit Boje und Sonnencreme andere Badegäste vorm Sonnenbrand schützen“, erotische Fotoshootings arrangieren, Anheitzer und Käfigtänzer in einer Techno-Disco, Nacktmodel und und und. Natürlich alles unter dem großen Motto: „Barrieren überwinden und Körperkontakt mit dem anderen Geschlecht herstellen“ – damit kennen sich die Mode-Damen anscheinend aus, liegt es doch nahe, dass sie durch „Barrieren überwinden und Körperkontakt zum anderen Geschlecht“ die meisten ihrer Aufnahmen und Arrangements für das Modeparadies Köln-Kalk ergattert haben.

Sind diese zwei Sachen dann unter viel Tränen und durch zwei Werbeblöcke unterbrochen endlich vorbei, geht es zum besagten Umstyling, wo man hofft, dass man durch viel Haargel und Haarspray auch die Persönlichkeit der Freak-Dummbrote soweit verändern kann, bis sie vollkommen durchschnittliche Dummbrote geworden sind. Auch in diesem Punkt haben die Alpha-Blondchen eindrucksvoll vorgemacht wie es funktioniert. Dazu gibt’s noch super-trendy Klamotten (mit denen sich kein Hetero und wahrscheinlich auch kein Schwuler mit einem Rest von Augenlicht und Verstand, jemals in der Öffentlichkeit zeigen würde) – aber da das Budget nicht für Ed-Hardy, RayBan und ähnlich oberhippe Designer-Sachen reicht, gibt’s halt nur Glitzer-Gilmmer-Müll von der Stange und eine formschöne Pilotenbrille von Fielmann. Muss auch gehen.

Und schwupps, schon hat uns das Privatfernsehen zwei weitere glückliche members of society geschenkt. Wir sagen: Dankschön!

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