5. Oktober 2010

Kritik: Million Dollar Baby

Clint Eastwoods Einstieg in die Spätphase seines Œuvres -

Mit "Million Dollar Baby" wagt sich Filmlegende Eastwood nur scheinbar auf ein neues Terrain; bei näherem Betrachten greift er viele Themen auf, die ihn von jeher als Regisseur beschäftigt haben, und so funktioniert sein Boxerdrama auch als Mittelteil einer inoffiziellen Trilogie über die verschiedenen Aspekte des Älterwerdens und der Vergangenheitsbewältigung, welche zuvor deutlich in "Space Cowboys" aufgegriffen, und später in "Gran Torino" weiter variiert wurden.
Mit diesen Filmen teilt auch "Million Dollar Baby" einiges, allen voran die Tatsache, dass es an einem Spannungsbogen im eigentlichen Sinn fehlt: Eastwood benutzt sein Boxerdrama als Aufhänger für seine Parabel über Verantwortung und schlussendlich als Plädoyer für die Sterbehilfe, aber unter dramaturgischen Gesichtspunkten ist sie als eher mittelmäßig einzustufen, hält sie sich doch lange Zeit an den engen Grenzen des typischen Sportfilms fest.

Das dies nicht stärker ins Gewicht fällt, liegt zuallererst an Eastwood selbst - die meditative Ruhe seines Inszenierungsstils findet hier ihren Höhepunkt, zum anderen ist seine Verkörperung des knurrigen Alten qualitativ stark und schön anzusehen, wenngleich auch nicht ganz frei von Klischees. Ähnliches liese sich über Freeman sagen, der aus seiner Rolle des stichwortgebenden und aus dem Off sprechenden Vaterersatzes das Maximum rausholt, gleichzeitig seinem persönlichen Repertoire aber keinen neuen Aspekt hinzufügen kann. Ganz im Gegensatz zur weiblichen Hauptrolle: Hilary Swank blüht als Opfer des vorzeitigen Endes der from-rags-to riches-Geschichte sichtlich auf, und legt in "Million Dollar Baby" die bisher beste und anspruchsvollste Performance ihrer Karriere hin.

Der abrupte Genrewechsel von Sportler-Biographie zu Ethik-Drama im letzten Drittel des Filmes, funktioniert zwar als Synonym für die Unerwartetheit vergleichbarer Ereignisse und ihrer Auswirkungen auf alle Beteiligten, dürfte aber manchen Zuschauern sauer aufstoßen.
Denn obwohl die Wendung des Handlungsfadens den bisher durch Stallone breitgetretenen Pfaden einige neue Aspekte hinzufügt, und auch innerhalb der geschlossenen Einheit des eigentlichen Films eine gewisse Konsequenz besitzt - gegen Ende hakt Eastwoods Boxerdrama am meisten: Aus dramaturgischen Gründen serviert Drehbuchautor Haggins das eine oder andere platte Klischee in Form einer White Trash-Sippe ohne Verantwortungsbewusstsein und speist die gesamten Auseinandersetzung mit der Sterbehilfeproblematik eher unglücklich ab.
Letztendlich ist es hierbei egal, welche Position man in jener Debatte selbst einnimmt, um zu erkennen, dass eine längere Diskussion über die Ethik und Moral solcher Allmachtsentscheidungen von Nöten wäre, als "Million Dollar Baby" sie liefert. Durch diese Verkürzungen muss sich Eastwood dem Vorwurf des pathetischen und moralisch zumindest nicht unbedenklichen Schlusses gefallen lassen, welchen er in "Gran Torino" noch einmal unrühmlich toppte.

Dies macht aus "Million Dollar Baby" keinen wesentlich schlechteren Film, aber es hinterlässt einen schalen Beigeschmack zu einem ansonsten über nahezu jeden Zweifel erhabenes Werk.

8.5 / 10

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