23. März 2011

Kurzkritik: Sullivans Reisen

„There‘s a lot to be said for people making laugh. That‘s all some people have.“ -

Es ist ein langer Weg, den Preston Sturges seine Figur und das Publikum beschreiten lässt, bis sein Sullivan zu dieser Einsicht kommen darf. Und doch ist der vierte Film des Amerikaners nicht nur ein Bekenntnis zum Kino und dessen Funktion als Unterhaltungsmedium, sondern auch die Reflexion über seine Akteure, wahrscheinlich sogar über den Regisseur selbst: Fellinis späteren „8 1/2“ nicht unähnlich, ist auch „Sullivan‘s Travel“ auf seine Art eine Auseinandersetzung mit der Rolle als Filmemacher und der stetig damit verbundenen Suche nach dem Mittelweg zwischen eigenem Anspruch und externer Erwartungshaltung.

„Was kann Kino schaffen?“ - Die Antwort, die „Sullivan‘s Travel“ in seinem Schlussmonolog darauf findet, ist einerseits einfach, und doch wird sie von Sturges während des Films selbst wenn auch nicht widerlegt, so doch geflissentlich erweitert: Hinter all den klassischen Mechnismen, die der Regisseur aus seiner Verschmelzung verschiedenster Genres heraus destilliert und neu zusammenfügt, ist sein Werk weit mehr als nur die Essenz typischer Unterhaltungsfilme, sondern durchweg doppelbödige Satire und Bestandsaufnahme  - eines Berufsstandes, einer ganzen Gesellschaft.

Wie bereits in „Lady Eve“, verkehrt Sturges die Vorzeichen der klassischen Aufsteiger-Geschichten Hollywoods, und erzählt stattdessen von einem Mann im goldenen Käfig, dessen sehnlichster Wunsch es zu sein scheint, einmal die für ihn romantisch erscheinende Alltagsnormalität der niedrigeren Einkommensschichten kennenzulernen.
Mehr noch als die Abrechnung mit der Naivität und Verlogenheit hinter dieser Art von Wünschen und dem Gutmenschen-Gestus mit dem sie oftmals vorgetragen werden, führt der Film aber die Undurchbrechbarkeit der Schranken sozialer Milieus im Land der unbegrenzten Möglichkeiten vor: Sein Protagonist schafft den Abstieg, von dem er sich persönliche Reifung ebenso verspricht, wie anschließenden, prestigeträchtigen Erfolg, erst in jenem Moment, als er per Gesetz für tot erklärt wird, und damit all seine Privilegien unfreiwillig verliert. Ohne die gewohnten Auffangnetze ausgestattet, darf McCreas‘ Sullivan von nun an leiden, aber auch wirkliche Erkenntnis erlangen: Über Armut und Elend diskutieren zu können, ist ein Privileg, das sich nur derjenige leisten kann, der nicht damit zu kämpfen hat.

9 / 10

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