9. November 2010

Kritik: Blade Runner (Final Cut)

"Commerce is our goal here at Tyrell. "More human than human" is our motto." -

Gestartet zwischen dem zweiten und dritten Teil der alten "Star Wars"-Saga, drei Jahre nach dem ebenfalls von Scott gedrehten "Alien" und zeitgleich mit "E.T. -The Extra-Terrestrial" fiel "Blade Runner" in eine schwierige Phase, und der Einbruch an den Kinokassen dürfte angesichts der Komplexität des Stoffes und der Inszenierung aus Retrospektive die wenigsten Analysten überraschen.

Warum nun diese Einleitung? -
Weil "Blade Runner" auch bei heutigen Rezipienten noch genauso scheitern kann, wie damals, denn selten zwingt ein Film so sehr, mit den eigenen Erwartungshaltungen zu brechen, wie es das dritte Werk aus Scotts Œuvre verlangt: Die Zukunftsvision, die "Blade Runner" heraufbeschwört, ist eine substantiell andere, als alle vergleichbaren Welten und Galaxien, die bis dato geschaffen wurden - vorbei die märchenhafte Überhöhung des Zukünftigen; Scott zwingt seinen Zuschauer zum Abtauchen in einen slumähnlichen Moloch, der bewusste Parallelen zu den heutigen Großstädten evoziert.

Solche Äußerlichkeiten, ebenso wie der nahezu vollständige Verzicht auf Actionsequenzen, bescherten Scotts Werk zur damaligen Zeit ein absolutes Alleinstellungsmerkmal in der Sparte, unter der der Film vermarktet wurde, waren aber doch nur Fassade für einen viel tiefgreifenderen Bruch mit den Konventionen des Genres: Hinter den fliegenden Gefährten und der futuristischen Architektur gärt eine bedrohliche Atmosphäre, die jederzeit näher am klassischen Film-Noir, denn an den Space Operas vergangener Tage ist, und die vorallem die, in den Details - von der CocaCola-Reklame bis zur maskierten und dadurch anonymisierten Stripperin - hervortretende, satirische und zynische Abrechnung mit der Welt der Technokratie und der Großkonzerne, aufbietet.

Die philosophischen Anspekte, die "Blade Runner" dabei allgegenwärtig innehat, sind mannigfaltig, reichen von der Vergänglichkeit des emotionalen Erfahrens bis hin zu ethischen Fragen über den Wert des Individuums, und wären in solch einem Rahmen deutlich unterrepräsentiert, wenn man sie in wenigen Sätzen abhandeln würde - deshalb verweise ich an dieser Stelle bewusst und guten Gewissens auf die Zusatzliteratur, die jeder Interessent im Internet finden kann.

Somit ist "Blade Runner" definitiv weit von dem entfernt, was manche Zuschauer bei Titel, Cast und Trailer erwarten dürften - es ist kein Science-Fiction-Film, wie man ihn im Kontext seiner Zeit erwarten durfte, schon garnicht ist es ein Action-Reißer - vielmehr ist "Blade Runner" Scotts bestes Werk bis dato (woran sich aller Wahrscheinlichkeit nach nichts mehr ändern wird...), und einer der wenigen Produktionen, denen ich zugestehe, eine ernstzunehmende Meditation zu ihrem jeweiligen Thema darzustellen.

(Rezensiert wurde der "Blade Runner"-Final Cut von 2007)

9 / 10

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