12. Dezember 2010

Kritik: Punch-Drunk Love

„He‘s so a freak sometimes!“ -

Fast möchte man es anmaßend nennen, was P.T. Anderson mit „Punch-Drunk Love“ vollbracht hat: Nach den beiden ebenso virtuosen, wie auch tiefgreifenden Werken „Boogie Nights“ und „Magnolia“, kommt sein vierter Film nicht nur ohne Überlänge aus, sondern der Amerikaner entdeckt auch erstmals seine Vorliebe für einen wenig kontroversen, ja für einen nahezu seichten Stoff: Im Grunde seines Herzens ist „Punch-Drunk Love“ ein Liebesfilm, und in manch einer Videothek wird sich der Film mit einem Standort neben anderen RomComs jüngerer Vergangenheit begnügen müssen.

Diese Katalogisierung ist so richtig, wie sie falsch ist, denn wie schon in „Boogie Nights“ beweist Anderson auch hier, wie sehr er in der Lage ist, eingefahrene Muster zu variieren und schlussendlich aufzubrechen: „Punch-Drunk Love“ ist der Gegenentwurf zur klassischen Beziehungskomödie, noch nicht einmal, weil sich Anderson gänzlich von der Konzeption des Genres löst, sondern weil er sie auf den Boden der Realität zurückholt und sowohl seiner Geschichte, als auch seinen Figuren trotz aller surrealen Absurdität, mit der er hantiert, niemals die Würde durch das aufgesetzt Komische nimmt.

IIn vielen Momenten ist „Punch-Drunk Love“ deshalb auch mehr Beziehungs- denn Liebesfilm, denn die Liebe benutzt der Regisseur eher als dramaturgische Triebfeder der Geschichte, die große Erzählung mit all ihren Reizen spielt sich aber in der zwischenmenschlichen Interaktion des überhöhten Alltäglichen ab.

Anderson kettet seine Zuschauer hierbei stoisch an die Wahrnehmung eines Sonderlings mit autistischen Wesenszügen, inszeniert dieser entsprechend auch kompromisslos mit kleinen und großen Handlungssprüngen, bleibt sich aber in seiner Mischung aus Melancholie und Komik doch stets treu.
Man muss sich mit dieser Art der Narration anfreunden, ebenso wie man sich damit abfinden muss, dass Andersons Film trotz seiner obigen Ansätze, stets der Wille fehlt, sich wirklich auf jene studienhaften Auseinandersetzungen einzulassen, die man aus „Magnolia“ kennt: „Punch-Drunk Love“ ist ein kleiner, aber intelligenter Film - nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Ebenso in Grundzügen aus „Boogie Nights“ bekannt, ist ein parallel laufender Krimi-Plot, dem hier zwar durchaus eine gewisse Rolle als MacGuffin zukommt, dessen große Relevanz sich mir aber trotzdem nicht wirklich zu erschließen vermag: In der ruhig ausformulierten Geschichte wirken die wenigen Actionsequenzen mit den Inkasso-Bürdern in ihrem Anliegen, einen weiteren Spannungsbogen zu erschaffen, den der Plot nicht gebraucht hätte, doch etwas bemüht, wenn nicht sogar störend.

Dies ist Makulatur, über die man gerne hinwegsehen möchte, wenn man miterleben darf, dass Adam Sandler tatsächlich einmal eine Rolle auszufüllen vermag, in der nicht auf dumme Grimassen und peinliche Zoten festgelegt wird.
Es mag einem schwer über die Lippen gehen, aber Tatsache ist, dass Sandler den Film durch seine Präsenz zu großen Teilen alleine trägt, und sogar der starken Emily Watson die Show stiehlt.
Umso bedauerlicher allerdings, dass er als infantiler Pausenkasper anscheinend die lukrativeren Angebote bekommt, und sich deswegen immer noch für diverse Abfallproduktionen prostituiert.

Kurzum: „Punch-Drunk Love“ ist nicht Andersons bester Film; aber es ist einer der sehenswertesten Genrebeiträge der letzten Jahre, und ein Beweis dafür, wie facettenreich sein Erschaffer selbst ohne große Ambitionen sein kann.

8.5 / 10

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