23. November 2019

Shorties: Halloween (2018)


„I‘ve been preparing for this for a long time“

Ähnlich berechenbar wie der alljährliche Einzug von Kürbis-Gesichtern vor den Haustüren kommt in schöner Regelmäßigkeit ein weiterer Nachschlag zur ewigen Slasherfilm-Ikone HALLOWEEN: 2018 war es wieder einmal soweit; dieses Mal sogar mit dem Versprechen gleich eine neue Trilogie einzuleiten. 

Es scheint einiges an Zeit ins Land gezogen zu sein, seit jener verhängnisvollen Halloween-Nacht, in welcher John Carpenter seinen Michael Myers entlang dessen Blutlinie wüten und schließlich  vom Balkon ins Ungewisse stürzen ließ. Eher schlecht als recht knüpft die jüngste Auflage nun an die einstigen Anfänge an und entspinnt daraus ein Alternativszenario zu den Ereignissen von HALLOWEEN II: Statt zu fliehen, wanderte Myers nach seiner Mordserie zurück in die Psychiatrie; Laurie Strodes hat daraufhin 40 Jahre Zeit, die alten Wunden zu lecken, Mutter zu werden und sich als Heimwerkerin in den eigenen vier Wänden zu betätigen. Unglücklicherweise gerät Myers nach Jahren der Haft durch mysteriöse Umstände und just an Halloween nun abermals auf freien Fuß. 

So weit, so bekannt. Die Intention des Films ist nicht neu; wie kaum eine andere Horror-Reihe hat sich HALLOWEEN seit seinen Anfangstagen in gebrochene Chronologien, Alternativ-Erzählungen und Reboots geflüchtet, um die ewig gleiche Geschichte leidlich variieren und den -mittlerweile auf über zehn Filme angewachsenen- Katalog narrativ irgendwie legitimieren zu können. 

In seinen besten Momenten hat die Marke dabei über die Jahrzehnte den Beteiligten die Möglichkeit eröffnet, unter bekannten Namen gar großartige Experimente zu versuchen (z.B. HALLOWEEN III: SEASON OF THE WITCH; HALLOWEEN 2 (2009) im Director's Cut); in den schlimmeren -in der Zahl leider deutlich überwiegenden- Fällen, blieben die Beiträge allerdings ähnlich blass wie das messernde Maskottchen im Gesicht. 

Den künstlerischen Höhenflug, mit welchem den Rob Zombie vor einigen Jahren nicht nur das Franchise sondern das ganze Genre bereicherte, möchte Regisseur David Gordon Green hier augenscheinlich nicht fortsetzen. Wo Zombie – durchaus zum Entsetzen einiger Fans – mutig die Erwartungshaltungen unterlief und Michael Myers wortwörtlich demaskierte, setzt HALLOWEEN anno 2018 wieder auf Bekannt-Bewährtes: Der Film ist viel zu oft narrativ und visuell lediglich ein dröges Abarbeiten des myer’schen Familienalbums geworden, gesäumt von zwielichtigen Wissenschaftlern, ein paar lieblos arrangierten Teenie-Kills und nicht minder einfallslosen Referenzen an den gleichnamigen Carpenter-Klassiker aus dem Jahr 1978

Das mag angesichts des seit Jahren im Genre grassierenden Biederkeit nun keine wirkliche Überraschung sein, nichtsdestotrotz ist es erschütternd mit anzusehen, wie unambitioniert hier – dümmliche, aber potentiell spaßige – Szenarien wie das zur Käfigkonstruktion umgebastelte Familienanwesen ohne jegliches Gespür, ohne Not und mit purer Kreativität-Abstinenz verschenkt werden. 

 „You’re from the `70s, but I’m a `90s bitch“, so dröhnt es irgendwann im Laufe des Films einmal aus den Boxen, und gewissermaßen hat Icona Pop damit auch schon viel Wahres über diesen Film vorweggenommen: Mehr denn je erscheint Michel Myers ein nicht totzukriegendes Relikt aus einer vergangenen Zeit zu sein, dessen behände Reanimationsversuche in derartig altbackener Form mittlerweile mehr den je befremdlich erscheinen. 

 3 / 10


14. September 2015

Shorties: Scream - The Series

"You can't do a slasher movie as a TV series."

Die Frage, ob ein Slasher im seriellen Format funktionieren könnte, nimmt „Scream“ bereits in der allerersten Folge vorweg und greift damit eben jene Bedenken auf, die zwangsläufig in den Sinn kommen, wenn nun abermals ein erfolgreicher Film zur Serie umfunktioniert werden soll. 

Eine eindeutige Antwort bleibt zumindest die erste Season schuldig. Pflichtbewusst werden die vermeintlichen Eckpunkte von Cravens Franchise aufgegriffen; es gibt die mit sich und ihren Problemchen hadernden Teenager, das stete Verschieben von Sympathie und Verdacht ebenso wie einen (nunmehr mit doofer Maske versehenen) Ghostface. Die Meta-Reflexion der ursprünglichen Trilogie ist dagegen einem weitestgehend belanglosen Popkultur-Zitat gewichen, was angesichts der wenigen und durchweg aufgesetzt-grauenvollen Versuche sich selbst zu hinterfragen, aber vielleicht nicht einmal die schlechteste Idee war.
 Bereits Scream 4 hatte schwer an der Last zu tragen, dem in vielerlei endgültigen Trilogieabschluss neue Aspekte hinzuzufügen, gab sich stattdessen damit zufrieden ein bewährtes Konzept optisch und inhaltlich milde zu modernisieren.  

„Scream - The Series" wählt den selben Weg, was das Projekt letztlich völlig redundant erscheinen lässt: Abermals ein paar neue Gesichter in ähnlichen Charaktermodellen, eine erdrückende Allgegenwärtigkeit von Social-Media-Gedöns, zusammengehalten von einem leidlich amüsanten Whodunnit. Mit der großen Genre-Umwälzung von 1996 hat all das nur noch den Namen gemein. 
4 / 10

19. Juni 2015

Kino: Jurassic World

 

"We need more teeth." - 

Unmöglich fast, als Kind der Achtziger- oder Neunzigerjahre, nicht mit leuchtenden Augen von dem 1993 unter den Fittichen von Steven Spielberg entstandenen JURASSIC PARK zu schwärmen. Fast schien es, als würde dieses gigantische Experiment tatsächlich existieren, so allgegenwärtig waren die Reptilien in der Popkultur und in den Kinderzimmern vertreten.

Große Spuren haben Spielberg und sein T-Rex hinterlassen, welche Colin Trevorrow nun irgendwie auszufüllen versuchen muss. Das schon im Namen angedeutete Konzept des neuen Parks ist dabei auch jenes des Films: Das Spektakel muss größer, die Reptilien exotischer und das Erlebnis nervenaufreibender sein. Einzig: Wenn die Forscher im Film skeptisch die endlose „schneller-höher-weiter“-Spirale ihrer Geldgeber betrachten, scheinen sie auch gleichzeitig JURASSIC WOLRD als Kinoerlebnis zu kommentieren.
Eine mutierte T-Rex-Variante hier, ein Monsterkroko da, ansonsten gibt es weder in den Ruinen des einstigen Parks noch im Themengelände wirklich etwas zu entdecken, was man nicht bereits aus JURASSIC PARK oder wenigstens seinen beiden Nachfolgern gekannt hätte. Am Themenpark als solches zeigt sich Trevorrow nicht lange interessiert, artig liefert er nach kurzem Intro Survival-Action mit viel -gar nicht mal besonders hübsch animierten- Urzeitgetier. Zusammengehalten wird all das von der bereits erprobten Familienzusammenführung im Angesicht der Gefahr - neben den unzähligen übernommenen Kameraeinstellungen und Gimmicks ein weiterer Knicks -oder besser: Kniefall- Richtung Spielberg.

Weniger wäre manchmal mehr gewesen in der JURASSIC WORLD; gerade im Debilo-Dino-Finale wünscht man sich sehnlichst etwas mehr Suspense oder wenigstens Ordnung.
Eine Sensation ist dieser Attraktion nicht gelungen, viel zu schnell verdrängen die memorablen Momente von 1993 die eben gesehene Computer-Materialschlacht. Ein vergnüglicher Blockbuster, vielleicht sogar einer der besten dieses Jahr, ist es aber allemal.
5 / 10
erschienen auf: MehrFilm

13. Februar 2015

Orange is the New Black | Season 01


Piper Chapman, ihres Zeichens Sinnbild einer lediglich mit first world problems geplagten Mittelschicht wird von ihrer gar nicht so braven Vergangenheit eingeholt und muss ins Gefängnis - und dank Netflix können wir alle daran teilhaben.

Wie schon bereits WEEDS beginnt auch Jenji Kohans nächste Serie damit, dass die scheinbare Idylle zusammenbricht und sich ihre Hauptfiguren mit einer neuen Rolle abfinden müssen. Die Drogengeschäfte, mit denen Nancy Botwin einst ihren Lebensunterhalt zu bestreiten versuchte, sind nun Chapman zum Verhängnis geworden. Von nun an gilt es, sich hinter Gittern zurecht zu finden.

Die zaghaften ersten Schritte der Neuankömmlinge im Strafvollzug, das oftmals schmerzhafte Kennenlernen der internen Rang- und Hackordnung, die guten und die bösen Wärter - man weiß um all das, trotzdem ver(sch)wendet ORANGE ganze Folgen darauf, es uns noch einmal vorzuführen. Nichtsdestotrotz muss das Leben hinter Stahlbeton eine ungeheuer aphrodisierende Wirkung auf die Betroffenen haben, denn es vergeht insbesondere in der ersten Staffelhälfte kaum eine Episode, in der nicht irgendwo herum gevögelt wird (vielleicht ein Augenzwinkern in Richtung Exploitationkino?).

 Auflockernd inmitten dieses Gitter-GZSZ wirkt lediglich der Plotstrang um Pipers stetig weiter auseinanderdriftende Beziehung zu ihrem Verlobten (leider furchtbar: Jason Apfelkuchen Biggs) , der von der Extremsituation sichtlich überfordert, immerhin eine gewisse Entwicklung durchmachen darf.

Mehr als kleine Tragödien mit Reißbrettfiguren ORANGE momentan nicht leisten; wer auf substantielle Kritik am nicht unproblematischen US-Strafvollzugssystems hoffte, wird auf der Suche danach ebenso enttäuscht werden, wie die von HBO Verwöhnten, die sich von Serien inhaltlich und stilistisch mittlerweile mehr als bloße Berieselung im Fernsehformat wünschen. 
3 / 10

21. Oktober 2014

Kritik: Wolf Creek 2


[...] Knapp acht Jahre später kehrt der Regisseur nun zum Wolf Creek zurück. Oder besser: Er kehrt zu Mick Taylor zurück; und darin liegt vielleicht das erste der zahlreichen Probleme dieses Films. Während der Vorgänger den Schauplatz und dessen Natur zum heimlichen Hauptdarsteller kürte, verlässt sich „Wolf Creek 2“ von Anfang an darauf, den Human-Metzger als künftige Franchise-Ikone aufzubauen; quälend-scheiternde Oneliner und Rassismus-Motiv inklusive. Damit verschenkt McLean nicht nur ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen Backwood-Slashern, sondern geht zeitgleich auch eine ungute Komplizenschaft mit dem Sadismus seiner Hauptfigur ein: Obgleich bereits im ersten Teil nicht unproblematisch, waren die Gewaltszenarien dort vergleichsweise spärlich gesät und im jeweiligen Kontext gesehen sogar derart inszeniert, dass der Zuschauer Empathie für die Figuren entwickeln konnte. „Wolf Creek 2“ hingegen gefällt sich sichtlich im genüsslichen Nachstellen durchdeklininierter Szenen menschlicher Entwürdigung, und spätestens, wenn das Überfahren von Kängurus und das versehentliche Pfählen der Blondine als bloßer Kalauer taugen muss, ist die Schmerzgrenze überschritten. [...]

19. Juni 2014

Last seen: Resolution



Wer die Vermarktung und die ersten Minuten von RESOLUTION sieht, der glaubt zu wissen, worauf er sich da eingelassen hat: Die omnipräsente Waldhütte, Tonbänder und irgendwelche Gräber. Was soll in einem Genre, in dem der Affekt schon lange dem Effekt gewichen, und die Vergangenheitsbeschwörung -ob mit oder ohne Ironie-Brille- längst zum bloßen Selbstzweck verkommen ist, auch noch wirklich erstaunen? 

Es folgt: Ersteinmal nichts; ein Vakkuum. Die Antwort, die das Duo Benson/Moorhead mit ihrem Film auf die obige Frage finden, ist vergleichsweise kurios und doch absolut logisch: RESOLUTION ist eine Abkehr von der Fassade des Horrorfilms, hinzu den Mechanismen die dahinter liegen. Denn was überrascht denn noch? Welche Erwartungshaltung diktiert der Zuschauer Film, wenn er dessen Qualität behände an irgendwelchen Rastern zu messen versucht? Was ist sicher, was Vermutung, was Schablone? 

Am Ende kann man das Gesehene lediglich verfluchen, oder aber sich durch die Leerstelle(n) überführt fühlen - viel Platz für Zwischenräume lässt RESOLUTION mit seiner beinharten Konsequenz nicht. Horror ist, was du daraus machst.
8 / 10

18. Juni 2014

Last seen: Fack Ju Göhte


„Romeo und Julia“ darf den Aufhänger und Wendepunkt der Geschichte geben; eigentlich aber erzählt FACK JU GÖHTE eher von der widerspenstigen Zähmung, an deren erwartbaren Ende ein kreuzbraves Plädoyer für die Mitte und dazugehörigem Wertekanon, für größtmögliche Angepasstheit mit den dazu nötigen Scheuklappen, steht. Nur logisch also, dass die gutmenschelnde Referendarin hier ebenso domestiziert werden muss, wie der lederbejackte Rabauke - was kann schließlich schöner sein, als ein Reihenhaus im Grünen und die Verbeamtung? Ansonsten gibt’s die deutsche Interpretation von hipper Inszenierung und gewagte Witzen (die sagen tatsächlich "ficken"!), irgendwo zwischen Gastauftritten von Uschi Glas und Farid Bang. Paukerschreck reloaded. 
3 / 10

31. Mai 2014

Shorties: Don Jon


Angesichts der in Hollywood noch immer um sich greifenden Prüderie, erscheint der Versuch einer Abhandlung über die Sucht nach Pornographie das schillernde Kleid einer prominent besetzten RomCom überzuwerfen, durchaus spannend. Tatsächlich aber geht es Gordon-Levitt in seinem Regie-Debüt gar nicht so sehr um nackte Titten, sondern mehr um den Einbruch virtueller Einflüsse in die Realität und die damit einhergehenden Veränderungen unserer Beziehungen. Weniger verkopft als Spike Jonzes HER, erzählt DON JON dabei über eine Scheinwelt, Einsamkeit und Bindungsängste: Zwischen Jon und seiner von (der omnipräsenten) Scarlet Johansson verkörperten vermeintlichen Traumfrau stehen Terrabytes an Internet-Videos, wie eine unüberwindbare digitale Mauer, an der sich die Realität stets messen lassen und scheitern muss.

So unverkrampft lässig, wie es der Off-Kommentar und der mit Erwartungshaltungen spielende Twist, Glauben machen möchten, ist all das aber nicht: Am Schluss steht doch wieder nur die Überführung in ein klassisches Beziehungsmodell, in welchem Sexualität gefälligst so gelebt werden soll, wie es die Allgemeinheit gut heißt. Wer hätte gedacht, dass ein Film, der mit haufenweise Pornoschnipseln beginnt, derart konservativ enden kann?
4 / 10