24. Februar 2011

Kritik: Alice im Wunderland

"Have I gone mad?" - 
Tim Burtons Auftragsarbeit für Disney, die erstmals seit BATMAN wieder so etwas wie kommerzielle Studiointeressen den Vorrang gegenüber den Intentionen seines Regisseurs vermuten lässt: Dabei ist ALICE eigentlich ein klassischer Burton-Stoff, jenes Werk von Lewis Carroll dass die Verquickung von Märchenmotiven mit kritischen Seitenhieben auf die Gesellschaft und der Realität als solches, schon lange vor dem amerikanischen Regisseur selbst aufgriff und prägte – und trotzdem: Vollständig zufrieden kann mit Burtons ALICE weder Publikum noch Macher selbst sein.

Er hat die Themen der Vorlage verstanden, formt sie mit Hilfe von Autorin Woolverton durch die Vermischung der beiden „Wunderland“-Romane und der erwachsenen Perspektive sogar wirklich zu einem neuen Gerüst zusammen, nur um es im weiteren Verlauf (zu) großräumig mit bereits bekannten Farben auszumalen. Für einen Fantasten wie Tim Burton eigentlich kurios: Die besten Szenen seiner ALICE-Variation ergeben sich weniger in der Märchenwelt, sondern vielmehr außerhalb von dieser. Das Außenseitermotiv, dass sich wie ein roter Faden durch das Oeuvre des Filmemachers zieht, wirkt innerhalb der korsettähnlichen Adelsgesellschaft, mit der ALICE beginnt und endet, stärker nach, als ihre eigentliche Sinnsuche im Wunderland. 

Bisherige Verfilmungen des Stoffes seien ihm zu formelhaft aufgezogen, zu sehr auf  Kuriositätenkabinett als auf erzählerischen Film getrimmt, lies Burton zu seiner Motivation für eine neue Adaption seinerzeit verlauten. Große Worte, die angesichts der jetzigen Struktur des Films verwundern dürfen. 
Denn konträr zum Ausbruch aus dem Käfig von Erwartungshaltungen und Zwängen seiner Hauptfigur, verschreibt sich ALICE mit zunehmender Zeit durchaus eben solchen: Anders als bisherige Arbeiten des Regisseurs funktioniert der Trip durch das Wunderland nicht nur wie ein Genrewerk, sondern geht in seinen schwächsten Momenten auch nicht über die Grenzen eines solchen hinaus. So liebevoll und detailliert viele Frames ausgestaltet werden, der gallige Humor Burtons fehlt hier oftmals ebenso, wie das Durchbrechen typischer Blockbuster-Meriten durch umfassenden Subtext. Der Weg zur Emanzipation setzt die Konfrontation mit den eigenen Ängsten voraus, sei es zuerst auf der eskapistischen Flucht, oder später im realen Alltag: Nicht nur optisch gleicht das Fazit des Films ebenso enttäuschend, wie schon fast erschreckend all jenen Schlachtepen vergangener Kinojahre, denen man – ob Narnia oder Mittelerde – langsam überdrüssig zu werden scheint.


Man mag sich selbst damit beschwichtigen, ALICE IN WONDERLAND biete letztendlich genau das, was viele von ihm erwarten werden: Sauber inszeniertes und gut gespieltes „Popcornkino“ mit einigen starken Sequenzen für alle Altersklassen, das bezeichnenderweise mit Avril Lavigne im Abspann sogar noch jene Kajal-Fraktion mitnehmen möchte, denen der Film eigentlich zu bunt sein dürfte. Damit ist ALICE unterm Strich tatsächlich noch ein überdurchschnittlicher Blockbuster, aber auch ein unbefriedigender Burton.

6 / 10

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