18. Oktober 2010

Kritik: Harry Brown

The law has limits. He doesn´t. -

Man kann darüber diskutieren; man kann es als Belanglosigkeit; als reines Unterhaltungskino abtun - ich will garnicht verschweigen, dass dieses nicht vorhandene Zugeständnis an Relevanz vielleicht die beste Art ist, mit der man sich Filmen wie diesem hier nähert.
Tatsache ist aber auch, dass das Kino der letzten Jahre zumindest in manchen Genres wieder ideologischer geworden ist: Wo Nolan in "The Dark Knight" verschlüsselt mit dem Wunsch nach einer Überinstanz spielt, die uns omnipräsent vor dem Terror und all seinen Schergen schützt, da bricht "Harry Brown" die globale Gefahr von der Finanzmetropole auf den eigenen Busbahnhof hinunter: Michael Caine gibt den Batman für die Vororte und beschützt uns vor Dealern und Gangstern, insgeheim aber auch vor U-Bahn-Schlägern, HipHop-Kiddies und sonstigen Gestalten, denen man nachts nicht unbedingt begegnen möchte. Insofern bedient "Harry Brown" die Nachfrage nach einer starken Direktjustiz, deren Hände nicht durch Bürokraten gebunden ist.

Es ist diskutabel, wie man diese Tatsachen nun bewertet, denn dass Kino auch schon immer als Spiegelbild der jeweiligen Gesellschaft funktioniert hat, sollte unstreitig sein.
Problematisch ist jedoch, wenn sich ein Film massiv von seinem dokumentarischen und doch fiktiven Kontext löst, und er nahelegt, dass nicht nur die Problemstrukturen, sondern auch die Problemlösungen vom Zelluloid auf die Realität übertragen werden sollen.
Dies ist der Punkt, an dem sich Vigilantenverfilmungen wie "Batman" von Machwerken wie "Harry Brown" unterscheiden. Der Film wirft eben nicht nur Fragen und Problemstellungen auf - er beantwortet sie auch: Mit einer zweistündigen Allmachts- und Rachefantasien als Allroundlösung.

Ist es nun gerechtfertigt, in einem Review soviele Zeilen auf die Interpretation einer politischen Ebene zu vergeuden, die unter Umständen ein Großteil der Zuschauer garnicht wissentlich wahrgenommen hat? Aus meiner Sicht ja - nicht nur die Reaktionen hier zeugen von einem gewissen Gesprächsbedarf hinsichtlich der Intentionen und der möglichen Trennung von Ideologie und Unterhaltung im Kino.

Zum anderen bietet Barbers Film unter cineastischen Gesichtspunkten eher absolute Durchschnittlichkeiten, die nicht der Rede wert wären. Wie zu erwarten war, gibt es unter den Ensemblemitgliedern Licht (Caine) und Schatten (Mortimer); handlungsmäßig folgt "Harry Brown" den Pfaden, die Charles Bronson schon vor dreißig Jahren freigeschossen hat.
Inszeniert wird zwischen ganz nett und 08/15 - der Film schreckt jedoch auch hier nicht vor einigen platten-altbekannten Bild-Montagen zurück, um die Emotionen seines Szenarios und seines Helden zu verdeutlichen. In Konsequenz: Alles schon einmal gesehen.

Es fällt schwer aufgrund dieser filmischen Mittelmäßigkeit großes Nachsehen mit der zutiefst fragwürdigen Ideologie und Prämisse des Films zu haben.
Gleichzeitig - und da unterscheide ich mich von Rajko´s Kritik drüben - ist der reaktionäre Tenor so eindimensional inszeniert und so manipuliert in so platter Art und Weise, dass er aufgrund mangelnder Subversivität eigentlich keine Gefahr darstellt und deshalb auch irgendwie zu blöde ist, um ihn in Gesamtheit wirklich zu hassen. Oder aber, man kann diese ganzen Dinge komplett ausblenden, und lässt sich (leidlich) unterhalten - "Harry Brown" zu mögen macht aus einem nicht automatisch einen tumben oder schlechten Menschen.

Somit schwinge ich mich zum - von allen Seiten gemiedenen - Diplomaten auf, und behaupte: "Harry Brown" ist pures, aber unsympathisches Mittelmaß!

4 / 10

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