17. November 2010

Kritik: Harry Potter und die Heiligtümer des Todes - Teil I


Gute und schlechte Zeiten im Blair-Witch-Forest -

Viel wurde gemunkelt über den Abschluss der Potter-Reihe: Warner Bros. manövrierte zwischen zweiter und dritter Ebene hin und her, und über allem schwebte doch immer die Frage danach, unter welchen Gesichtspunkten eine Splittung des Finales auf zwei Filme wirklich notwendig sei: Natürlich ist es nahezu grotesk, ein Franchise, wie jenes um die Rowling-Romane, mit dem Vorwurf der Kommerzialisierung zu konfrontieren; beinahe ebenso grotesk ist es angesichts von "Harry Potter and the Deathly Hallows: Part I" allerdings, dass David Yates in Pressekonferenzen behauptet, er müsste zwei Überlängefilme in Anspruch nehmen, um seinen narrativen Spannungsbogen ausformulieren zu können.
Denn der größte Vorwurf, dem man dem ersten Teil des Final-Romanes machen kann, soviel sei schon vorangestellt, ist die Tatsache, dass es der erste Potter-Film ist, der massiv mit Spannungsarmut und Langeweile zu kämpfen hat, und den pawlowschen Blick in Richtung Uhr mehr als einmal evoziert.

Als Yates die Regie für die letzten vier Teile der Saga übernahm, brach er mit einigen Konventionen, die seine wechselnden Vorgänger auf dem Regiestuhl aufgestellt haben, sorgte gleichzeitig aber auch für eine gewisse Stringenz zwischen den einzelnen Teilen, und hatte so die Möglichkeit, das etwas zerfahrene Zauberuniversum auszuformulieren und weiterzubilden - angesichts der zunehmenden Komplexität des Ursprungsstoffes auch eine notwendige und begrüßenswerte Entscheidung.
Mit dem ersten Teil der "Deathly Hallows" bricht der Regisseur nun abermals mit den Konventionen der Reihe, diesmal aber auch mit der obigen Stringenz innerhalb seines eigenen Schaffens: Vorbei die Zeit der großen Gesten und der Faszination für die Zauberwelt - "Part I" tritt auf der Stelle und zwar gehörig, und fokusiert sich ausgerechnet auf die Schwachpunkte, die sich wie eine rote Linie durch die gesamte Potter-Reihe ziehen.

Keiner der vielen Regisseure, die sich an dem Mythos "Harry Potter" versuchten, hat wirklich Wert auf die Charakterzeichnung gelegt, am allerwenigsten Yates, der dazu die meiste Zeit gehabt hätte: Besonders die Charaktere von Grint und Watson verkamen zu bloßen Stichwortgebern, die man eher beiläufig und lieblos mit einem Coming-of-age-Schmonzetten-Background versehen hat. Selbst Daniel Radcliffe als Titelheld, blieb spätestens seit "Prisoner of Azkaban" im status quo verhaftet, und im Großen und Ganzen darauf beschränkt, weinerlich oder blöde grinsend in die Kamera zu schauen.

All diese Kritikpunkte sind alt, wurden in den Vorgängern aber weitestgehend durch flotte Inszenierung und den hochkarätigen Nebencast kompensiert - und in der Tat, seine besten Momente hat auch "Deathly Hallows" dann, wenn Fiennes, Bonham Carter und Rickman ihre etwas einfallslosen Auftritte absolvieren, und schmerzhaft aufzeigen, wieviel ein Schauspieler mit Präsenz auch aus einer mickrigen Screentime herausholen kann.

Die meiste Zeit aber, und das ist im Hinblick auf die oben genannte Kritik stellenweise wirklich ärgerlich, zentriert sich das Geschehen auf das Freunde-Trio und ihren Campingtrip in Richtung Weltrettung. An diesen Stellen wären Charaktere und nicht zuletzt Charakterschauspieler von Nöten, um nicht in die Belanglosigkeit abzurutschen - und genau daran hakt es: Sowohl die inszenatorische Aufbereitung der Konflikte innerhalb der Clique, als auch ihre Darstellung durch den Cast bewegen sich auf dem Niveau einer mittelmäßigen Telenovela; eine Bindung an die einzelnen Figuren und ihr Schicksal wird vorausgesetzt, aber eigentlich nie wirklich begründet.

Überhaupt beansprucht der Film jenen good-will, den man schon den Vorgängern entgegenbringen musste, über Gebühr, denn wirklich rund ist er zu keiner Zeit: Die oftmals in anderen Kritiken heraufbeschworene Düsternis ist selten wirklich greifbar, an vielen Stellen fehlt einfach der homogene Tonfall, um sie glaubhaft zu machen: Jene Verzweiflung, die omnipräsent sein soll, opfert Yates wie auch schon im Vorgänger kleineren und größeren Beziehungskisten und infantilen Späßchen. Das Motto des Zusammenhalts in allen Ehren, aber wenn selbst die Beerdigung des Hauselfs zur kitschigen Postkarte verkommt, und der halbtote Weasley auf dem Sofa noch einen lockeren Spruch reißen darf, dann muss man sich den Vorwurf gefallen lassen, zu zielgruppengerecht zu insznenieren.

Ab und an, und leider viel zu selten, blitzt dann tatsächlich so etwas wie Kreativität auf, und die Idee, die Deathly Hallows-Sage als Comicstrip zu inszenieren ist ein netter Einfall, war angesichts der - mit  platten Staatsfaschismus-Metaphern zugekleisterten - Szenerie im Ministerium und dem schamlosen Paraphrasieren von Jacksons "Lord of the rings" aber auch bitter nötig, um überhaupt noch einen Platz im (unteren) Mittelfeld zu ergattern.

Kurzum: "Harry Potter and the Deathly Hallows: Part I" erzählt wenig, braucht dafür aber unendliche Zeit, und wäre - sollte der zweite Teil das Ruder nicht gehörig rumreißen - ein unwürdiger Abschluss für die Serie.

4.5 / 10

2 Kommentare:

  1. Die Kritik ist zwar nachzuvollziehen, jedoch denke ich, dass das Buch nicht gelesen wurde - Herr der Ringe Thematik, ein Sprüche klopfender "halbtoter Weasley" und das faschistoide Ministerium entspringen der Vorlage, die hier zum ersten Mal wirklich relativ detailgetreu umgesetzt wurde, und eine "flotte Inszenierung" für diesen Teil des Handlungsstranges geradezu verbietet, zu langwierig und zu aussichtslos sind die Bemühungen des Trios den Horkruxen endlich habhaft zu werden...

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  2. Ich hab' das Buch gelesen (wenngleich das auch schon einige Zeit her ist), habe mich allerdings auch schon in Schriftform an diesen Parallelen gestoßen, obwohl sie in der filmischen Verarbeitung natürlich deutlich prägnanter hervortreten, und besonders die Szenen im Wald nicht nur eine thematische Nähe mit Jacksons "Ring"-Filmen aufweisen, sondern wirklich gewisse Szenenabläufe stark nachgebaut wirken (siehe sowohl die Wirkung Ring/Horkurx, als auch die Gefangennahme durch die Schergen der Malfoys, die ähnlich inszeniert sind, wie das Finale des "Fellowship"-Films).
    Dass der Film sich im Generellen näher an die Vorlage kettet, ist in meinen Augen nicht unbedingt eine durchweg positive Entscheidung; gerade die freieren Adaptionen von Teil III, V und VI funktionieren in meinen Augen zu jeder Zeit besser, als die Ableger, die eine stoische Nähe zum Roman generieren (auch wenn VII.1 den ersten beiden Filmen in diesem Punkt etwas nachsteht).

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